Datei für Stalker

Die Polizei speichert Stalker künftig in einer „Gefährder-Datei“. Anlass: Der Auftakt eines Mordprozesses

Bremen taz ■ Wer bei der Polizei Bremen des Stalkings beschuldigt wird, findet seine Daten zukünftig in einer bundesweit einmaligen „Gefährder-Datei“ gespeichert. Anlass ist der gestrige Prozessauftakt im Verfahren gegen Michael M., der beschuldigt wird, im März 2005 seine Ehefrau erstochen zu haben – aus „verletzter Eitelkeit“, wie Staatsanwalt Frank Repmann sagte.

Der Bruder und die Mutter der Getöteten treten in dem Verfahren als Nebenkläger auf. Vor Gericht wollte sich der Angeklagte gestern noch nicht äußern, jedoch kündigte seine Verteidigerin eine Aussage für den kommenden Verhandlungstag am 15. September an. Der 41-Jährige soll seiner Noch-Ehefrau Corinna M. an ihren Arbeitsplatz im Bremer Hotel „Maritim“ aufgelauert und sie im Sanitätsraum mit 14 Messerstichen getötet haben. Trotz der sofort eingeleiteten Rettungsmaßnahmen verstarb die Frau noch am Tatort. Knapp zwei Monate zuvor war M. vom Amtsgericht Verden per einstweiliger Verfügung untersagt worden, sich seiner Frau auf weniger als 50 Meter zu nähern.

Doch davon wusste man in Bremen offenbar nichts, sagte Stephan Rusch vom Landeskriminalamt. Das Problem: Die Computersysteme in Bremen und Niedersachsen sind bislang nicht kompatibel. „Die Behörden sind sehr schwerfällig“, so Rusch. Das soll sich nun ändern: Die Bremer Polizei erfasst in der „Gefährder-Datei“ auch mit Bann belegte Personen aus dem niedersächsischen Umland – sobald ein konkreter Bezug zu Bremen erkennbar ist, etwa weil Betroffene in Bremen arbeiten.

Für den Eintrag in die „Gefährder-Datei“ reicht eine Anzeige, die bei der Polizei erstattet wird. Sollten sich die Vorwürfe nicht erhärten, versichert Rusch, würden die Daten umgehend gelöscht. Dieses Verfahren ist aus Sicht des Landesdatenschutzbeauftragen Sven Holst „unbedenklich“. Allerdings sei man nie gegen vorgetäuschte Straftaten gefeit, sagt auch Rusch. Fünf bis zehn Prozent aller „Gefährder“ würden zu unrecht beschuldigt, schätzt der Projektleiter des Stalking-Interventionsprojektes.

In Bremen verzeichnete die Polizei zwischen 2001 und 2004 rund 500 Opfer von Stalking. Zwar gibt es bislang noch keinen eigenen Straftatbestand für Beziehungstäter. Sollte Stalking jedoch als Straftatbestand anerkannt werden, sagt Rusch, „dann wird die Zahl der Anzeigen explodieren“. mnz