: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Keine Sorge, der Kanzler wird die Wahl schon nicht gewinnen. Auch wenn viele Wähler seine Nachfolgerin Angela Merkel inzwischen als eine Drohung kennen gelernt haben, bei der sie es lieber bewenden lassen würden
taz: Was war schlecht in der letzten Woche?
Friedrich Küpperbusch: Mein ernüchterndes Resultat unter www.wahl-o-mat.de.
Was wird besser in dieser?
Site völlig überlaufen, passiert mir nicht noch mal.
2002 hatte die Union drei Wochen vor der Wahl in den Umfragen 41 Prozent und dann doch noch verloren. Kann das wieder passieren?
Die Tendenz, die bestehende Bundesregierung abzustrafen, nährte bisher die Umfragen für die Union. Jetzt ist die Kanzlerschaft Merkels realistisch, und mancher mag es dann doch bei dieser Drohung bewenden lassen. Allerdings ist Merkel schlau: Statt „grobe Fehler vermeiden“ geht sie mit Kirchhof in die Offensive, während umgekehrt die SPD das Rettungsthema nicht setzt. 1976 schaffte es Helmut Kohl, mit 48,6 Prozent in die Opposition zu gehen. Die Gefahr sehe ich für Schröder nicht.
Am Sonntag duellieren sich Schröder und Merkel im TV. Wie wichtig ist das?
Schröder möchte seine persönlichen und die deutlich miserableren Umfragewerte der SPD zusammenführen. Dabei wird Merkel ihm helfen wollen: Sie wird in ihrem Schwester-Diesel-Rigorismus auf die SPD treten, während umgekehrt Schröder die Person Merkel kaum angreifen kann. „Hochgejazzt“ wurde bisher vor allem die Medienkompetenz des Kanzlers – mit dem Ergebnis, dass alles außer komplett einzubrechen Merkel als Erfolg angedichtet werden wird. Schauen werden das, selbst wenn es erneut 15 Millionen Seher sein werden, die ohnehin eher politisch interessierten Zuschauer. Entscheidend also wird sein, welcher „spin“ darüber hinaus zur Wirkung kommt.
Merkel will die Türkei nicht in der EU. Kohl hatte dem Land 1997 den Beitritt in Aussicht gestellt. Wer hat Recht?
Die USA benutzen die Türkei als ihren „Flugzeugträger im Mittelmeer“ und wollen Kongruenz zwischen Nato und EU, um beides besser steuern zu können. Also sollte man dagegen sein. Ein föderaler Frieden im Irak wird hingegen immer scheitern, solange die Türkei nicht bewogen wird, damit auch eine verhalten autonome Kurdenregion zu akzeptieren. Also sollte man dafür sein. Ohne Türkei wird die EU auch eine religiöse Monokultur, und mit Türkei wird sie richtig teuer. Eine Zurückweisung der Türkei stärkt islamistische und panturkmenische Kräfte dort, die Aufnahme zerlegt die Gemeinschaft in eine Kern-EU und einen Beliebigkeitsgürtel drumherum. Mir fällt ad hoc keine ambivalentere politische Frage ein als diese.
Finden Sie den Wahlkampf auch so langweilig?
Ja.
Es werden Millionen Euro ausgegeben, hoch bezahlte Köpfe entwerfen Konzepte – und kaum einer findet’s gut.
„Wer Gerechtigkeit will, muss das Soziale sichern“ ist reines Schröder’sches Gedönsdeutsch. Das hätte er auch allein gekonnt. Umgekehrt wäre die Plakatreihe „Meilensteine der Merkelfotografie“ auch als Spin-off einer MTV-Show „pimp my Mutti“ günstiger zu haben gewesen. Ein Resultat der Multiplikation „keine wesentlichen inhaltlichen Unterschiede“ mal „keine Zeit“.
Die Grünen werden am Wahltag ziemlich sicher in der Opposition landen. Gut für sie?
Der beste Wahlspot stammt von der LBS und lässt ein Grundschulmädchen verkünden: „Wenn ich groß bin, werde ich auch Spießer!“ Besser ist der Zeitgeist nirgends formuliert – die „Eigenheim ins Reich“-Befindlichkeit der Mehrheitsdeutschen. Des Sachzwangs und seiner -walter ledig, können die Grünen Globalisierungskritiker einsammeln und versuchen, als parlamentarischer Arm sozialer Bewegungen wiederaufzuerstehen. Sonst braucht die niemand.
Die Linkspartei/PDS will den Luxuspopulisten Lafontaine zähmen. Schafft sie das?
Noch mal: Das ist die unsortierte Stehtribüne der Sitzplatzpartei Deutschlands (SPD), und je schneller, desto besser.
Und was macht Borussia Dortmund?
Schalke gewinnt im Westfalenstadion, die CDU parteitagt in der Westfalenhalle. Was denn noch? Wein trinken und einen kölschen Bürgermeister? Hallo amnesty?
Fragen: SR