: Der teure Patriotismus der Familie Peugeot
FRANKREICH Der Konzern Peugeot-Citroën produziert viel in Frankreich und verkauft in Europa. Beides erweist sich nun als fatal. Zehn Prozent aller Arbeitsplätze stehen auf der Streichliste
AUS PARIS RUDOLF BALMER
Thierry Peugeot kam vor wenigen Tagen persönlich zur Feier des hundertjährigen Bestehens der Autofabrik im ostfranzösischen Sochaux-Montbéliard. Von den Sorgen, die das französische Familienunternehmen Peugeot-Citroën (PSA) plagen, ließ er sich nichts anmerken: „Wie immer, wenn ich nach Sochaux komme, bin ich extrem glücklich.“
Seine Festfreude wirkte auf die anwesenden Autoarbeiter nicht sehr ansteckend. Die Firma hat drastische Sparpläne angekündigt. Der Chef der Familie Peugeot, der 25 Prozent der Firma gehört, sieht dennoch keinen Grund zur Angst vor einer Produktionsverlagerung: „Wir sind stolz auf dieses Werk, das ein Emblem unserer historischen Verankerung in Frankreich ist, an dem wir festhalten wollen.“ Solche Zusicherungen hätten gewiss auch die Beschäftigten in anderen Fabriken der Gruppe PSA gerne gehört.
Rund 8.000 Arbeitsplätze, das sind 10 Prozent des Personals in Frankreich, sollen noch abgebaut werden. Dabei wurden bereits letztes Jahr 5.000 geopfert. Die Produktionsanlage in Aulnay-sous-Bois mit rund 3.400 Beschäftigten soll noch vor 2014 stillgelegt werden. Eine Beschwerde der Gewerkschaften wegen Formfehlern ist vom Gericht abgewiesen worden.
Auch die Linksregierung von Präsident François Hollande, der unlängst noch diesen Abbau als „in dieser Form nicht akzeptierbar“ bezeichnet hatte, muss diese Umstrukturierung hinnehmen. Denn sie ist die Empfehlung des von der Regierung eingesetzten unabhängigen Experten Emmanuel Sartorius. Der glaubt, dass die Lage von PSA womöglich noch um einiges weniger rosig ist als erhofft. Nach Verlusten von einer Milliarde Euro im letzten Jahr belaufen sich für PSA die Einbußen allein im ersten Halbjahr 2012 bereits auf 819 Millionen Euro. Besserung ist nicht in Sicht.
Der Patriotismus der Gründerfamilie hat es der Firmenleitung schwer gemacht, rechtzeitig industrielle Allianzen oder Fusionspartner zu suchen und in Asien und Amerika Fuß zu fassen, wie es dem ehemals staatlichen Konkurrenten Renault gelungen ist. Nun zahlt das Privatunternehmen PSA den Preis für seine „historische Verankerung“ im Stammland Frankreich, wo immerhin noch 37 Prozent der Peugoet- und Citroën-Modelle produziert werden. 85 Prozent der Motoren werden in Frankreich hergestellt, wo die Forschung und Entwicklung noch zu 90 Prozent angesiedelt ist. Diese „Kosten“ des Made in France sollen nun gesenkt werden.
Auch beim Verkauf hängt PSA zu 58 Prozent vom europäischen Markt ab, der am stärksten von der Krise betroffen ist. Dass die Verkaufszahlen von PSA im ersten Halbjahr 2012 um 13 Prozent sanken, ist auch Folge der Abwrackprämien, mit der die frühere Regierung aus umweltpolitischen Gründen die Erneuerung der Autobestände gefördert und damit eine Konsumblase geschaffen hatte. Jetzt sinkt im Gegenzug die Nachfrage.
Und überdies geraten heute – ebenfalls aus Umwelt- und Gesundheitsmotiven – die von PSA vorzugsweise fabrizierten Dieselmotoren unter Beschuss.