: „Ich habe mich nie bestechlich gefühlt“
Im Kölner Müllskandal räumt Ex-SPD-Fraktionschef Rüther vor Gericht ein, er habe 75.000 Euro angenommen – aber nur in Vertretung des damaligen OB-Kandidaten seiner Partei. Richter findet: Staatsanwalt soll sich auch um CDU-Politiker kümmern
AUS KÖLN FRANK ÜBERALL
Im Kölner Rathaus scheint die Furcht vor Quittungen umzugehen. Die Liebe zu beleglosen Finanzgeschäften trat jedenfalls klar zutage am ersten Prozesstag, an dem sich der frühere Kölner SPD-Politiker Norbert Rüther vor dem Kölner Landgericht wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verantworten musste. Der Müllskandal zieht immer weitere Kreise, und immer neue Anschuldigungen werden erhoben.
Hintergrund der neuen Rüther-Anklage ist eine Geldspende des Exentsorgungsunternehmers Hellmut Trienekens von 75.000 Euro. Rüther räumte vor Gericht freimütig und mit fester Stimme ein, er habe das Bargeld von Trienekens 1999 in seinem Rathausbüro angenommen. Seinerzeit war er Chef der SPD-Ratsfraktion. Im Gegenzug für die finanzielle Aufmerksamkeit habe sich Rüther für die Privatisierung der städtischen Müllabfuhr eingesetzt, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Zuvor hatte Rüther stets dagegen gekämpft.
Rüther jedoch redete sich entschuldigend in Rage. „Ich habe mich nie bestechlich gefühlt“, sagte er mit ernster Miene. „Außerdem habe ich das Geld nur als Vertretung für den damaligen Oberstadtdirektor und Oberbürgermeisterkandidaten Klaus Heugel entgegengenommen.“ Auf die Frage, warum er das für seinen Freund Heugel gemacht habe, meinte Rüther scheinbar harmlos: „Na, der wollte nicht als Amtsträger beschuldigt werden.“ Flugs gab es zwei Verfahren mehr im Kölner Korruptionssumpf: eines gegen Heugel wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und eines gegen Rüther wegen Beihilfe dazu.
Auch der Name des Kölner CDU-Bundestagsabgeordneten Rolf Bietmann fiel erneut. „Müssen Sie sich da nicht mal drum kümmern?“, fragte Richter Martin Baur den Staatsanwalt, nachdem er genüsslich von zwei beleglosen Zahlungen über je 46.000 Euro von Trienekens an Bietmann berichtete. „Haben wir ja schon, aber dem ist kaum etwas zu beweisen“, schnupfte Ermittler Robert Bungart.
Stück für Stück klärte der Richter die Niederungen der verworrenen Kölner Stadtpolitik auf, um sich besonders der Rolle des beschuldigten Rüther zuzuwenden. Schwarze Kassen seinen üblich gewesen im Kölner Rathaus, verteidigte sich der frühere SPD-Mann: „Es war wohl mein erster großer Fehler, das bei der Amtsübernahme nicht abgeschafft zu haben.“ Das sei aber auch schwierig gewesen, schließlich habe er nicht „die ganzen Politiker der Vergangenheit an den Pranger stellen“ wollen. Der zweite Fehler sei das Einwerben anonymer Dankeschönspenden von Unternehmen gewesen, die Aufträge von städtischen oder stadtnahen Gesellschaften bekamen.
„Ich habe Trienekens aber nie eine Gegenleistung versprochen“, betonte Rüther. Richter Baur glaubte das nicht: „Herr Trienekens hat im Verhör einen klaren Zusammenhang zwischen den Geldzahlungen und seinem Wunsch nach einem Kauf der städtischen Müllabfuhr hergestellt.“
Sein Gesinnungswechsel in Sachen Müllabfuhr habe aber mit ganz anderen Fakten zu tun, beteuerte Rüther: Die Gewerkschaften seien plötzlich dafür gewesen, deshalb habe die SPD sich dem nicht entgegenstellen können. Den Verzicht auf eine Quittung bei der Trienekens-Spende erklärte Rüther mit der Furcht vor „öffentlichen Diskussionen“.