: Die nächste Kampfszene kommt
Lidokino (2): Mit „Seven Swords“, einem Schwertfilm des chinesischen Regisseurs Tsui Hark, eröffneten gestern die Filmfestspiele von Venedig. Die Waffen haben eigene Persönlichkeiten, die Kampfchoreografien rauben den Atem
VON CRISTINA NORD
Ist es Angst vor Filmpiraterie oder vor Terroranschlägen? Eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen wurde den akkreditierten Journalisten kurz vor Festivalbeginn per E-Mail angekündigt. Polizisten sind mit Schäferhunden unterwegs; die Tiere tragen keinen Maulkorb und haben die nach hinten abfallende Rückenpartie, wodurch ihr Auftreten noch nervöser wirkt. Den Kinogängern ist es verboten, Kameras oder Aufnahmegeräte bei sich zu führen, Taschen werden kontrolliert, Metalldetektoren und Absperrungen aufgestellt. Die Leichtigkeit, mit der man sich noch letztes Jahr auf dem Lido bewegte, scheint dahin.
Zum Ausgleich gibt es erfreuliche Gerüchte, was den diesjährigen Überraschungsfilm betrifft – im letzten Jahr wurde Kim Ki-duks „Bin-jip“ in den Wettbewerb aufgenommen, in diesem Jahr wird es wohl Takeshi Kitanos neueste Arbeit sein. Und der Eröffnungsfilm hält genau das, was er verspricht. Tsui Harks „Seven Swords“ – es ist der erste Film des Hongkonger Regisseurs, seit er 2002 „Black Mask II – City of Masks“ präsentierte – schöpft aus, was das Wuxia-Genre hergibt: Die Kampfchoreografien, die Waffenkonstruktionen, die Schnitttechnik, die Kameraführung und das Setdesign lassen keine Wünsche offen.
„Seven Swords“ spielt in China um 1660, die Qing-Dynastie ist an die Macht gekommen und hat, um potenzielle Aufstände zu unterbinden, verboten, dass Kampfkunst praktiziert und erlernt werde. Der Offizier Fire Wind (Sun Honglei) setzt das Dekret mit roher Gewalt um: Er und seine Krieger – unter ihnen eine besonders blutrünstige Kriegerin – töten, wen immer sie mit Kampfkunst in Verbindung bringen. Für jeden Leichnam, gleich ob Kind oder Großvater, kassieren sie eine Kopfprämie. Vom Konflikt stark versus schwach, muscle versus List, Gewalt versus Klugheit mag unzählige Male erzählt worden sein, von seiner Faszination büßt er nichts ein.
Wie ernst es Tsui Hark meint, wird gleich am Anfang klar. Die Truppe Fire Winds ist in ein Dorf eingedrungen und hat die Bewohner auf dem Dorfplatz zusammengetrieben. In die Grautöne der Kulisse und der Kostüme sind wenige rote Flächen und Punkte eingestreut: Farben, ein Lampion, später das Blut. Fire Winds Krieger tragen schwere Rüstungen und sind nach tribalischer Art geschminkt. Ein Arsenal an Dolchen, Schwertern, Krummsäbeln führen sie mit sich, nicht zu vergessen die Fantasiekonstruktionen, die die Perfidie eines Folterwerkzeugs mit der Einsatzfähigkeit einer Stichwaffe verbinden. Dagegen sind die Dorfbewohner machtlos. Tsui Hark nimmt diese erste Gelegenheit wahr, die für ihn charakteristische Mise en scène des Kampfes zu etablieren: Diskontinuierlich ist die Sequenz montiert, mal beschleunigt, mal in Zeitlupe und meistens so, dass die kausale Beziehung zwischen Schlag und Wunde von der Geschwindigkeit der Montage verschluckt wird. Zugunsten der Dynamik gibt Tsui Hark die Logik von Ursache und Wirkung preis.
Widerstand gegen Fire Wind formiert sich in Gestalt von sechs Schwertkämpfern und einer Schwertkämpferin. Dass der Titel nicht ihnen, sondern ihren Waffen gewidmet ist, ist konsequent, insofern die Schwerter wie eigenständige Figuren behandelt werden: mit eigenem Charakter und eigenem Namen, Stärken und Macken. Eingewoben in den Plot sind in Rückblenden und Visionen viele weitere Geschichten – von Flucht, Verschleppung, verlorenem Zuhause, von Liebesdreiecken, Traumatisierung und Verrat.
Vieles davon bleibt angedeutet, als wollte Tsui Hark die Geschichten nicht bis an ihr Ende erzählen, um das Tempo zu halten. Lange dauert es ohnehin nicht, bis die nächste Kampfsequenz kommt. Die besticht nicht nur der dissoziativen Schnitttechnik wegen, sondern auch, weil sie etwas Geradliniges hat. Zwar arbeitet auch Tsui Hark mit Farbdramaturgie, doch die gelben, roten oder grünen Tapeten aus Zhang Yimous „Heros“ sucht man in „Seven Swords“ vergebens – als wollte der Regisseur klarstellen: Was man aus „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ oder „Hero“ kennt, ist wie parfümiertes Wuxia, hier geht es um die Sache selbst, den Schweiß, die Bewegung, das Metall.