: Linke für geteilte Wahlen in Dresden I
Die Dresdner sollen am Sonntag ihre Zweitstimme abgeben, fordert die Linkspartei. Der Bundeswahlleiter lehnt das ab. Drei Beispiele dafür, wie am 2. Oktober mit einer strategischen Stimmenabgabe der Wahlausgang verändert werden könnte
VON CHRISTIAN RATH
Die Linkspartei.PDS hat sich noch nicht damit abgefunden, dass im Wahlkreis Dresden I erst am 2. Oktober gewählt wird. In einem Brief an Bundeswahlleiter Johann Hahlen schlagen die Linken vor, dass am 18. September zumindest die Zweitstimmen abgegeben werden. Die Nachwahl zwei Wochen später, die durch den Tod einer NPD-Direktkandidatin notwendig geworden ist, soll sich auf die Erststimmen für das Direktmandat beschränken. „Damit wollen wir die Verzerrungen einschränken, die unweigerlich entstehen, wenn die Dresdner Wähler das Ergebnis im Rest Deutschlands schon kennen“, sagte Hendrik Thalheim, Sprecher der Linkspartei der taz.
Wahlleiter Hahlen wird dem Wunsch aber nicht entsprechen können. Das Bundeswahlgesetz lässt es nicht zu, dass der Wahlgang in einem Wahlkreis zweigeteilt wird. „Die Nachwahl findet nach denselben Vorschriften und auf denselben Grundlagen wie die Hauptwahl statt“, heißt es im Gesetz. Im Klartext heißt das: Erst- und Zweitstimmen müssen am gleichen Tag abgegeben werden. Hahlen hat schon am Freitag deutlich gemacht, dass er vor hat, sich strikt an das geltende Wahlrecht zu halten.
Es kann also sein, dass die Wähler im Wahlkreis Dresden I am 2. Oktober mit einer strategischen Stimmabgabe den Ausgang der Bundestagswahl entscheiden können. Den größten Einfluss hätten die Dresdner, wenn eine der drei kleineren Parteien – FDP, Grüne oder Linkspartei – Probleme mit der Fünfprozenthürde bekommt. Hier könnte es massive Leihstimmen seitens einer größeren Partei geben, um den potenziellen Koalitionspartner zu retten. Angenommen die FDP läge nach der bundesweiten Auszählung nur bei 4,99 Prozent der Stimmen, dann könnte die CDU ihre Wähler in Dresden dazu aufrufen, mit der Zweitstimme FDP zu wählen, um die notwendigen fünf Prozent doch zu erreichen. Nach jüngsten Umfragen liegt die FDP allerdings noch bei sechs Prozent. Kommt sie nicht in den Bundestag, werden rund 32 Mandate auf die anderen Parteien umverteilt.
Aber auch wenn alle fünf aussichtsreichen Parteien in den Bundestag einziehen, kann es auf die Stimmen in Dresden ankommen. Angenommen bei der Auszählung der bundesweiten Zweitstimmen am 18. 9. haben Union und FDP nur eine hauchdünne Mehrheit gegenüber Rot-Rot-Grün, dann können die Zweitstimmen in Dresden I den Ausschlag geben. Bei der Wahl 2002 holte das linke Lager in Dresden rund 35.000 Stimmen mehr als CDU und FDP zusammen. Mit gewisser Wahrscheinlichkeit würde eine Wiederholung dieses Ergebnisses Schwarz-Gelb einen Sitz – vielleicht den entscheidenden – im Bundestag kosten. Genaue Prognosen sind aber nicht möglich, weil die Verteilung der Sitze auf Parteien und Länder zu komplex ist.
Die Zweitstimmen entscheiden grundsätzlich darüber, wie viele Sitze eine Partei im Bundestag erhält. Holt sie jedoch in einem Bundesland mit den Erststimmen mehr Direktmandate, als ihr eigentlich Sitze zustehen, dann bekommt die Partei so genannte Überhangmandate, die das Wahlergebnis verzerren können. 2002 gewann die CDU in Sachsen ein Überhangmandat. Dies könnte sich 2005 wiederholen, wenn die CDU im Wahlkreis Dresden I am meisten Erststimmen bekommt. Derzeit sieht es danach aus. Nach einer Prognose des Wahlinformationsdienstes election.de kann CDU-Kandidat Matthias Lämmel mit 35 Prozent der Erststimmen rechnen. Er liegt damit vor Katja Kipping (Linke) mit 29 Prozent und Marlies Volkmer (SPD) mit 25 Prozent. Wenn die SPD zur Wahl von Kipping aufruft, könnte sie also ein mögliches Überhangmandat der CDU verhindern.
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