: Leichtes Ampelflackern
Diese Dramaturgie war bereits vor Wochen abzusehen. Je mehr die SPD in den Umfragen aufholt, je unsicherer eine Mehrheit für Schwarz-Gelb wird, desto wilder werden Koalitionsdebatten geführt. Dass eine große Koalition unter einer Kanzlerin Angela Merkel nicht unwahrscheinlich ist, gilt da angesichts der anderen Möglichkeiten geradezu als eine gesicherte Erkenntnis.
Die beiden Koalitionsvarianten, die jetzt verstärkt debattiert werden, folgen einer anderen Logik. Über ein rot-rot-grünes Bündnis sprechen vor allem Union und FDP. Das ist Teil ihres Wahlkampfs, es dient der Abschreckung vor dem Gegner und der Mobilisierung des eigenen Lagers.
Dabei wissen selbst Angela Merkel und Guido Westerwelle genau, dass es zu einer solchen Koalition in diesem Herbst nicht kommen wird, vorausgesetzt SPD, Grüne und Linkspartei hätten überhaupt eine eigene Mehrheit. Ein solches Dreierbündnis würde alle beteiligten Parteien zerreißen: die SPD wegen Lafontaine und der PDS, die Grünen wegen Lafontaine und der PDS, die Linkspartei wegen Schröder, Fischer und allen anderen „Neoliberalen“ bei Rot-Grün. SPD-Chef Franz Müntefering dementierte das Gerücht am Sonnabend schon mit dem Unterton von Langeweile: „Ich erkläre zum 100. Mal: Das ist falsch.“
Etwas anders verhält sich die Sache mit der Ampelkoalition. Sie wird insbesondere bei der SPD diskutiert, wenn auch nicht öffentlich und nur in kleinen Zirkeln. Ein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP dient dem Erhalt einer Machtperspektive mit Gerhard Schröder als Kanzler, ohne dass die Sozialdemokraten die stärkste Partei stellen müssten. Der einzige namhafte SPD-Politiker, der offen darüber spricht, ist Sigmar Gabriel. Gabriel, der sich schon jetzt als einer der kommenden Männer der „neuen“ SPD sieht, besetzt gern schon mal alle Themen gleichzeitig. Seine Standardformulierung seit zwei Wochen zum Thema: Eine Ampelkoalition dürfe „kein Tabu“ sein. Weite Teile in der SPD, für die Westerwelle eine Hassfigur ist, lehnen das ab. Die Reaktion bei den Grünen bewegt sich, aber auch nur inoffiziell, zwischen „sehr schwierig“ bis „völlig ausgeschlossen“. JENS KÖNIG