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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Stutzig werden und fragen

■ betr.: „Der Schuldenschnitt würde teuer“, taz vom 30. 10. 12

Schuldenerlass für Griechenland zulasten deutscher Steuerzahler, das schließt die Kanzlerin aus. Damit kann sie punkten bei all jenen, die von den verschlungenen Wegen der Milliarden und tatsächlichen Interessen nichts wissen und darüber kaum etwas erfahren. Der deutsche Steuerzahler muss nicht wissen, wer am wachsenden Elend der griechischen Bevölkerung verdient und von Griechenland mit dem Euro nur profitiert hat. Und dem deutschen Steuerzahler wird Stück für Stück beigebracht, dass er die Krisenlasten aufgebürdet bekommt. Schuld sind, wie kann es anders sein, die anderen.

Da irritiert es fast, wenn vermeldet wird, dass die Deutschen ein Vermögen von 4,8 Billionen besitzen („Deutsche werden immer reicher“, Seite 2, taz vom 30. 10. 12). Zugleich ist in einer kurzen Meldung zu lesen („Die Waschanlage Europas“): Geldwäsche erreicht Rekordstand in diesem Deutschland, das angeblich für die ganze Welt zahlt und blutet. Da sollte selbst der letzte Stammtischler und deutsche Michel stutzig werden und Fragen haben.

Bei dem gigantischen Reichtum, der gar noch kräftiger Wäsche bedarf, um noch legal zu erscheinen, da müsste sich bei manchem die Verteilungsfrage doch mal stellen. Und vielleicht sollte so langsam dämmern und in Erinnerung kommen, was Solidarität heißt, wessen Solidarität mit wem gefragt ist. ROLAND WINKLER, Aue

Schuld und Tilgung

betr.: „Die Schreie des Lambros Nissiotis“, taz vom 31. 10. 12

Eigentlich erstaunlich, wie die bisherigen Bundesregierungen die Augen verschließen und mit der griechischen Frage umgehen konnten und noch umgehen: Rechtsnachfolgerin des letzten Deutschen Reichs zu sein war ja, insbesondere im Kalten Krieg, Staatsräson, nicht aber, moralisch-politisch verantwortlich einen Zusammenhang mit der deutsch-griechischen Geschichte herzustellen, die einerseits eine der Sehnsucht von unserer Seite her ist, dann aber von ausgeprägter Schuld besonders während des letzten Weltkrieges mit der Ausbeutung des Landes, der Vernichtung der Menschen, der Verweigerung für die Verantwortung dafür bis heute.

Verkauften wir bisher erfolgreich überflüssige und teure Waffensysteme an den griechischen Nato-Bundesgenossen und profitierten davon, obwohl sie die Verschuldung Griechenlands vertieften, könnte unsere sprudelnde Steuer doch mal verwendet werden, mindestens als Symbol die Nachkommen der ermordeten Kommenos-Opfer zu unterstützen und den von der Reichsregierung aufgenommenen Kredit mit Zinsen zurückzuzahlen, an den griechischen Fiskus, nicht an die internationalen und deutschen „leidenden“ Banken, deren Kredite ohnehin über Zinszahlungen weitgehend befriedigt worden sein dürften! ERNST-FRIEDRICH HARMSEN, Duschanbe, Berlin

Es geht um Therapiefreiheit

betr.: „Auf Gedeih und Verderb“ von G. Goettle, taz vom 29. 10. 12

Bravo! Der Artikel ist sehr gut und leider in keinem Wort übertrieben. Ich bin selber seit 30 Jahren als Allgemeinarzt in einer ländlichen Gegend niedergelassen. Bei jeder Zeile steigen in mir die Assoziationen zur eigenen Ohnmacht in diesem Kassensystem und insbesondere im KV-System auf. Wir müssten noch viel mehr Renate Hartwigs haben, vor allem innerhalb der Ärzteschaft. Diese sind tatsächlich sehr passiv an das System angepasst mit Angst, plötzlich nichts mehr vom Kuchen abzukriegen. Mit Scham vor mangelndem eigenem Mut muss ich jedem Wort von Renate Hartwig beipflichten und kann nur sagen: Weiter so, vielleicht wachen wir Ärzte doch noch auf und verwandeln uns von Mitläufern zu mutigen Mitstreitern. Und dann werden wir hoffentlich merken, dass es eigentlich nicht um die Geldverteilung geht, sondern um die höchstpersönliche Therapiefreiheit. ANDREAS ZUCKER, Allgemeinarzt, Salem

Leistung und Maloche

betr.: „Das hat Willy nicht verdient“ u. a., taz vom 31. 10. 12

Gerade weil die Vortragseinkommen des Herrn Steinbrück alle rechtens sind und von den in gleicher Weise Profitierenden gebilligt werden, ist ein lauter Aufschrei „Empört euch!“ vonnöten. Diese irrealen Vergütungen haben mit Leistung und Maloche genauso wenig zu tun wie die Abfindungssummen von Bankern und Fußballtrainern. Die wirkliche menschliche Arbeit mit ihrem Körper-, Geist- und Zeitaufwand wieder in den Blick zu bekommen, wertzuschätzen und entsprechend zu honorieren, das wäre soziale und demokratische Aufgabe. ORTWIN MUSALL, Rotenburg

Es gäbe eine gute Alternative

betr.: „Das hat Willy nicht verdient“ u. a., taz vom 31. 10. 12

Die Posse um Herrn Steinbrück ist für überzeugte links denkende Menschen nur schwer zu ertragen und für einen SPD-Kanzlerkandidaten einfach nur peinlich. Aber welche Alternativen als Kanzlerkandidat hätte die SPD zu bieten? Den Regierenden aus Berlin oder den Kollegen aus Brandenburg, die als Aufsichtsratsvorsitzende des BER komplett versagt haben, einen Ministerpräsidenten aus Mainz, der seinen Bürgern auch nur Schulden und ein gescheitertes Großprojekt hinterlässt, oder die zwei anderen aus der ehemaligen Troika, die bisher nur Wahlen verloren haben. Es gäbe eine gute Alternative mit Frau Kraft aus NRW und es bleibt nur zu hoffen, dass die Partei endlich aus ihren Niederlagen lernt und dieser Frau das Ruder übernimmt, sollte die SPD 2013 scheitern. MARKUS MEISTER, Kassel