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Archiv-Artikel

THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Esther Slevogt

Zugegeben, der Titel klingt erst mal nicht wirklich prickelnd: „Der Vorname oder Zu Gast bei guten Freunden“? Doch das ändert sich schnell, wenn man hört, das der Vorname eben der Vorname ist, der Vorname des einstigen Führers der Deutschen nämlich. Denn genau diesen möchte ein französischer Immobilienmakler seinem Sohn verpassen. Vorläufig befindet sich der zukünftige Adolf allerdings noch im Leib seiner Mutter Anna, der Gattin jenes Vincent, der diese Benamungaktion bei einem Dinner mit Freunden (jawohl, so kommt Teil zwei des Titels zustande) der gepflegten Runde kundtut und zu wissen gibt. Und natürlich kommt es, wie es kommen muss: Die Freunde geraten aneinander. Das sei kein Name, sondern ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, tobt beispielsweise Pierre, der Gastgeber los. Und es beruhigt ihn auch nicht, dass Vincent immerhin die französische Schreibweise erwägt. Nicht Adolf also, sondern Adolphe. Die Fassaden sind allseits schnell gefallen. Die Wut spült auch gut gehütete Geheimnisse hoch. Geschrieben hat die bissige Komödie das französische Autorenduo Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière und damit 2010 in Paris einen Überraschungserfolg gelandet. Vor zwei Tagen ist die Geschichte nun auf Deutsch am Renaissancetheater angekommen. (Weitere Vorstellungen 8., 9., und 10. 11.). Weniger komisch ist eine Veranstaltung im Berliner Ensemble, die ebenfalls auf den Vornamen Adolf zurückzuführen ist, beziehungsweise das, wofür er immer noch steht. Denn am 9. November jährt sich zum 74. Mal der Tag, an dem in Deutschland die Synagogen brannten. Aus diesem Anlass liest die Schauspielerin Iris Berben am 9. 11. im BE aus Katherine Kressmann Taylors messerscharfem Briefroman „Adressat unbekannt“. So ist ein Umschlag abgestempelt, der 1934 aus München unzustellbar in die USA zurückgeschickt wird. Es ist die letzte von insgesamt zwanzig Sendungen, die zwischen 1932 und 1934 zwischen München und den USA hin- und hergehen. In Briefen und Telegrammen wird die Geschichte einer Freundschaft und ihres Zerbrechens nach 1933 zwischen einem jüdischen und einem nichtjüdischen Deutschen erzählt: die Geschichte eines Verrats und einer subtilen Rache. Vor allem erzählt das Buch von der Macht des Wortes. Denn um an seinem zum Nazi gewordenen Jugendfreund Rache zu nehmen, der auch für die Ermordung seiner Schwester verantwortlich ist, macht der Held des Buchs seine Worte zu einer tödlichen Waffe.

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