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Archiv-Artikel

„Auf verblüffende Art aktuell“

DIRTY DANCING Der Band „Ich hatte die Zeit meines Lebens“ befasst sich nach 25 Jahren mit dem Film „Dirty Dancing“. Herausgeberin Hannah Pilarczyk verrät, was dessen Bedeutung und Aktualität ausmacht

Von ALDI
Hannah Pilarczyk

■ 35, hat Politik- und Rechtswissenschaften in Hamburg und Glasgow studiert. Sie war Redakteurin bei der taz sowie Neon. Betreut Filmthemen im Kulturressort von Spiegel online. Foto: Eva Häberle

taz: Frau Pilarczyk, warum ist es lohnend, sich nach 25 Jahren noch mal mit „Dirty Dancing“ zu befassen?

Hannah Pilarczyk: Mit zeitlichem Abstand sieht man, dass es nicht nur ein Tanz- und Liebesfilm ist, sondern auch eine Coming-of-age-Geschichte, die sowohl etwas über die 1960er als auch über die 1980er erzählt – über den Blick der 80er auf die 60er. Und dazu etwas über die Situation mittelschichtlicher Juden in den USA und die Mambo-Szene verrät. Und in feministischer Perspektive: Was gibt es für Filme mit weiblichen Hauptfiguren, wie werden die behandelt? So wird klarer, was „Dirty Dancing“ an Vergangenheitsbewältigung macht und wo seine größte Qualität liegt: mit Baby eine weibliche Hauptfigur zu haben, die gut behandelt wird und sich auf andere Art behaupten kann, als es im Genre bis Ende der 80er meistens möglich war.

Sie haben den Blick der 80er auf die 60er erwähnt. Im Buch findet sich die These vom „culture war“, einer stark polarisierten Gesellschaft zur Zeit der Entstehung des Films – und dass das heute wieder so sei. Kann man sich so etwas wie „Dirty Dancing“ wieder vorstellen?

Es soll im nächsten Sommer ein Remake geben. Der Film wirkt tatsächlich auf eine verblüffende Art aktuell. Es gibt eine Szene, in der der Kellner Robbie – einer der Schnöseligen, die nur etwas Geld fürs College verdienen wollen, keines der Unterschichts-Kids wie der Tänzer Johnny – Baby ein Buch rüberschiebt, in dem er seine Philosophie gespiegelt findet: Ayn Rands „The Fountainhead“, quasi eine der Gründungsschriften der Tea-Party-Bewegung. Wenn man sowas sieht, drängen sich die Parallelen zwischen 1960er-, 1980er- und 2010er-Jahren geradezu auf.

In einer Rezension ist zu lesen, das Wissenschaftliche müsse im Buch dafür herhalten, den Film mögen zu dürfen. War Fantum eine Triebfeder?

Nein. Wie viele der Autor_innen bin ich eher über die wissenschaftlich angehauchte Beschäftigung zum Fan geworden. Wenn man es konzentriert betrachtet, merkt man, was der Film an guten Themensetzungen und Figurenzeichnungen leistet. Aber auch Fantum ist ein legitimer Ansatz, sich mit Filmen zu beschäftigen. Das soll immer sublimiert werden – als wenn nur eine wissenschaftliche Herangehensweise und Bestätigung einen Film gut machen würde. Fantum, Begeistert-Sein gehört zum Filmgenuss dazu. INTERVIEW: ALDI

■ So, 11. 11., 20.30 Uhr, Golem, Große Elbstraße 14; „Ich hatte die Zeit meines Lebens“, Verbrecher-Verlag, 192 S., 15 Euro