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Archiv-Artikel

Die große Steuer-Koalition

Union und SPD wollen gemeinsam die Steuersätze für Unternehmen senken. Eine Grundlage dafür entwickelte die „Stiftung Marktwirtschaft“. Kritik kommt von der Gewerkschaft Ver.di und Attac

AUS BERLIN HANNES KOCH

Auf den unteren Ebenen funktioniert die große Koalition zwischen Union und SPD bereits gut – und löst prompt Kritik von links aus. Während die großen Parteien gemeinsam eine weitere Verringerung der Steuersätze für Unternehmen anpeilen, hält Michael Schlecht, Chef-Ökonom der Gewerkschaft Ver.di, „die Idee, dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen, für wirklichkeitsfremd“. Die Steuersenkungen der rot-grünen Koalition seit 2001 hätten auch nicht dazu beigetragen, dass die Unternehmen deutlich mehr investierten.

Offiziell ist die große Koalition noch lange nicht unter Dach und Fach – doch schon ist eine deutliche Annäherung zwischen SPD und Union in der Steuerpolitik zu verzeichnen. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß frohlockte gestern, dass CDU-Schatten-Finanzminister „Friedrich Merz sich auf die steuerpolitischen Vorstellungen der SPD zubewegt“. Von Merz selbst war dazu kein Kommentar zu erhalten.

Fakt ist: Die unionsnahe „Stiftung Marktwirtschaft“ hat ein Konzept für die künftige Besteuerung von Unternehmen erarbeitet, das sowohl Friedrich Merz, Schattenfinanzminister der Union, als auch SPD-Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks nicht schlecht finden. Wenngleich Hendricks gegenüber der taz sagte: „Aus der Koalitionsarithmetik halte ich mich heraus“, fügt sie doch hinzu: „Das Konzept der Stiftung wird sicher eine von mehreren Grundlage für den 16. Deutschen Bundestag sein.“

Während die Körperschaft- und Gewerbesteuer für Kapitalgesellschaften (zum Beispiel AGs) sich heute auf rund 38,5 Prozent summieren, schlägt die Stiftung Marktwirtschaft vor, den Satz auf maximal 30 Prozent zu senken. Diese Besteuerung soll sowohl für Kapitalgesellschaften als auch die Personengesellschaften des Mittelstandes gelten. Diese werden heute nach Einkommensteuerrecht mit maximal 42 Prozent veranlagt – eine Ungerechtigkeit im Vergleich zu den Konzernen.

Die „Stiftung Marktwirtschaft“ fasst mit ihrem Vorschlag die Mehrheitsmeinung der Mainstream-Ökonomie zusammen. Die deutschen Sätze der Unternehmensteuer seien im internationalen Vergleich nicht mehr konkurrenzfähig, weil zu hoch. Tatsächlich liegen die nominalen Sätze nur in Japan noch über den deutschen – in allen anderen Industriestaaten sind sie niedriger. „Weil die Steuersätze eine Signalwirkung haben, müssen wir etwas tun“, sagt Hendricks. Die Logik: In einer globalisierten Wirtschaft schrecken zu hohe Steuern internationale Investoren ab, wodurch im Inland weniger Jobs entstehen. Diese Argumentation teilen das Bundesfinanzministerium und die SPD mit den Steuerpolitikern der Union – wobei es Nuancen bei den Einzelheiten der Konzepte gibt. Im Gegensatz zur Union wird bei der SPD größerer Wert auf die „Aufkommensneutralität“ gelegt: Die Sätze sollen zwar sinken, andererseits aber auch Abschreibungsmöglichkeiten verbaut werden, so dass die Unternehmen unter dem Strich nicht entlastet würden.

Auch Sven Giegold von der globalisierungskritischen Organisation Attac erkennt an, „dass ein Konkurrenzproblem für Deutschland bei den Sätzen der Unternehmensteuer existiert“. Doch Giegold zieht daraus nicht den Schluss, die Steuersätze zu senken. Er wählt einen anderen Ansatz: Die Bundesregierung solle sich mit ganzer Kraft für die Harmonisierung der Steuern in Europa einsetzen und gegen die Kapitalflucht ins Ausland vorgehen. Weil es dann keinen Sinn mehr habe, so Giegold, Kapital ins Ausland zu verschieben, könne der deutsche Staat seine Steuersätze auch durchsetzen.

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