: Das Palästchen der Republik als Denkmal
Das Gartenhaus der einstigen Ständigen Vertretung der Bundesrepublik sieht aus wie der Palast der Republik in klein. Die große Ruine wird abgerissen. Der legendäre Schauplatz deutsch-deutscher Gespräche hingegen ist ein Denkmal
In Mitte steht ein Gartenhaus – und es sieht aus wie ein kleiner Verwandter des todgeweihten Palastes am Schlossplatz: ein Stahlskelettbau in der funktionalen Architektur der 70er-Jahre, dessen Nutzung in einzigartiger Weise an den Weg von der deutschen Teilung zur Wiedervereinigung erinnert. Der Palast der Republik ist eine Ruine, freigegeben zum Abriss. Das Gartenhaus dagegen hat Karriere als Denkmal gemacht.
Der zweigeschossige Bau mit brauner Stahlblechverkleidung entstand 1974/75 im Innenhof der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR. Er wurde vor allem für Ausstellungen, Empfänge und Konferenzen genutzt. Bis 1990 war der Pavillon an der Hannoverschen Straße 30 legendärer Schauplatz deutsch-deutscher Gespräche und kultureller Begegnungen. Hier konnte Joseph Beuys im Oktober 1981 seine Arbeiten einem DDR-Publikum präsentieren. Hier campierten in den dramatischen Wochen vom Sommer 1989 aber auch mehr als 100 Menschen, ehe sie nach langen Verhandlungen ihre Ausreisegenehmigung erhielten.
Im Juni 1974 hatte Günter Gaus, der erste „Ständige Vertreter“, seine Arbeit aufgenommen. Damit begann eine neue historische Epoche in dem von DDR-Bürgern als „weißes Haus“ bezeichneten Gebäude nahe dem nördlichen Ende der Friedrichstraße: Es wurde zum steinernen Symbol der Entspannungspolitik. Zu den Aufgaben der Vertretung gehörte es, die politischen Interessen der Bundesrepublik wahrzunehmen und Verträge mit der DDR-Führung auszuhandeln. Darüber hinaus berieten die rund 85 Mitarbeiter Hilfe suchende Bürger bei Rechtsproblemen und Familienzusammenführungen. Manche Ostberliner kamen auch einfach nur zum Zeitunglesen in die Vertretung – ohne sich von den Volkspolizisten, die vor dem Eingang postiert waren, abschrecken zu lassen.
Schon 1975 gab es den ersten „Zufluchtsfall“. In den folgenden Jahren erzwangen hunderte von DDR-Bürgern, zunächst in diskret behandelten Einzelaktionen, später in Massenbesetzungen, ihre Ausreise in die Bundesrepublik. Die Vertretung war zu einem potenziellen „Loch in der Mauer“ geworden.
Am 2. Oktober 1990, am Vorabend zum Tag der Einheit, wurde die Ständige Vertretung geschlossen. Ende 1997 fiel die Entscheidung, das Gebäude als Berliner Dienstsitz für das Ministerium für Bildung und Forschung umzubauen und mit einem Neubau zu ergänzen. Nach Plänen des Büros Jourdan/Müller entstand westlich des Altbaus eine spektakuläre Stützenkonstruktion, die dem Denkmal eine futuristische Schicht hinzufügt.
Im Zuge der Neubaupläne war auch der Abriss des Gartenhauses eine Option. Nicht zuletzt aufgrund des engagierten denkmalpflegerischen Gutachtens der Bauhistorikerin Simone Hain für das gesamte Ensemble blieb der Pavillon im Innenhof schließlich erhalten – mit einer Veränderung: Aus dem bis dahin geschlossenen, Technikräume bergenden Erdgeschoss wurde eine rundum verglaste Halle.
Für Winfried Matanovic, von 1986 bis 1990 Kulturreferent der Ständigen Vertretung, war der Erhalt die richtige Entscheidung. Er beschreibt das Gartenhaus als einzigartiges Kulturinstitut: „Hier trafen sich Szenen von der Jugendkultur bis zur amtlichen Hochkultur. Musiker organisierten deutsch-deutsche Jam-Sessions, Journalisten und Schriftsteller diskutierten mit oppositionellen Kirchenvertretern.“ Matanovic ist überzeugt, dass der kulturelle und gesellschaftliche Austausch zwischen Ost und West, wie er in jenem Gartenhaus praktiziert wurde, eine Keimzelle der später gewaltfrei erreichten staatlichen Einheit ist.
Vor allem nutzungsgeschichtliche Aspekte sind es, die das Gartenhaus zum Teil des Denkmals „Ständige Vertretung“ machten. Doch auch die Baugeschichte des Pavillons hat Zeugniswert: Er ist ein Stück Export-Architektur der Bundesrepublik in der DDR. Die gesamte Planung lag in der Hand der damaligen Bundesbaudirektion. Westberliner Firmen übernahmen 1975 die Montage des Typenbaus, der ästhetische und funktionale Parallelen zu zeitgleich entstanden DDR-Bauten aufweist.
ELISABETH SCHWIONTEK