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Archiv-Artikel

Wahre Schreibtische. Heute: Ralf Sotscheck – oder Der klare Blick des weltberühmten Nichtrauchers auf seine Nikotinverstecke

Jeder Koch hat seine Mise en Place, seine eigene Art, in der Küche den persönlichen Arbeitsplatz einzurichten mit Gewürzen und Kochgeräten und allerlei Dingen, die zum Gelingen eines Gerichts notwendig sind. Auch Autoren und Schriftsteller inszenieren ihre Schreibtische nach sehr eigenen Vorstellungen. Die Wahrheit hat sich an den Arbeitsplätzen ihrer Köche umgesehen – und manch Erstaunliches entdeckt.

So sieht er also aus, der gesetzlich vorgeschriebene rauchfreie Arbeitsplatz des Irlandkorrespondenten der taz: Ralf Sotscheck, Dublin. Hier entstehen ständig neue Geschichten und Berichte des Wahrheit-Kolumnisten und berühmtesten Nichtrauchers der Welt. Wichtige Unterlagen müssen deshalb stets in Griffnähe liegen (1). Die Neigung, bei Sonderangeboten niemals widerstehen zu können, lässt den Schreibtisch jedoch mit allerlei Unrat wie Tipp-Ex, Klebestiften und bunten Textmarkern zuwachsen (2). Denn man munkelt, dass die cleveren Dubliner Händler jederzeit das unsichtbare Schild „Kaufe alles“ auf der Stirn ihres beliebten Opfers Sotscheck sehen.

Zur Stärkung hilft eine Dose Baked Beans (3) – selbstverständlich ein Billigangebot. Etwas hinter der Briefwaage versteckt: das kleine Sparschwein auf dem Fensterbrett (4), der „Boozer’s Fund“ – Kleingeld für die teuren Pub-Besuche. Gleich daneben befindet sich die Abteilung „Dankschreiben aus aller Welt“, eine Sammlung von unzähligen Ansichtskarten, die treue Leser und Fans geschickt haben (5). Manchmal stürzt der Turm ein, schon deshalb darf das Fenster nie geöffnet werden. Die Handbibliothek (6) enthält wichtige Bücher, unter anderem den bekannten Bildband „Some Lovely Islands“ (7) sowie die aktuellen Journalisten-Jahrbücher 87 (8) und 88 (9).

Mit diesem dünnen Draht (10) beginnt die Standleitung Dublin–Berlin, die nur deshalb so heißt, weil der Korrespondent ständig aus dem Stand über den aktuellen Spielstand der irischen Nationalmannschaft, den Verhandlungsstand irisch-britischer Gespräche, den Stand der Dinge bei den Royals sowie den Wasserstand des Shannon River berichtet. Die schwarze Blechkiste (11) passt dabei nicht so recht ins Bild. Aber irgendwie scheint sie mit zur Abteilung Telekommunikation (12) zu gehören – eine Art Dauerprovisorium im „fliegenden Aufbau“. Und zwei Kaffeebüchsen (13) zwischen all den Kabeln? Bunkert der Korrespondent etwa genau hier seine Nikotinvorräte?

Wiglaf Droste hat mal in einem Buch behauptet, Ralf Sotscheck würde ständig nur „Hearts“ auf dem Computer spielen (14), und er frage sich, wann er eigentlich die vielen Artikel schreibe. Die irische Elfe hatte das Spiel daraufhin gelöscht, aber nach wenigen Tagen reumütig wieder geladen. DIETER GRÖNLING