: Gute Laune amtlich festgestellt
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) kann keine schlechte Stimmung bei den Ordnungshütern ausmachen – anders als die Sicherheits-Experten der Landtagsfraktionen und die Polizei-Gewerkschaft
Möglich, dass der Innenminister es einfach besser weiß. Möglich aber auch, dass sich Uwe Schünemann (CDU) nicht den Lächel-Termin vorm Landtag vermiesen lassen wollte, wo er, direkt nachder sicherheitspolitischen Debatte, die ersten blauen Polizei-Uniformen des Landes Niedersachsen präsentierte.
Drinnen aber hatte dicke Luft geherrscht. Der Innen-Experte der Grünen hatte ihm vorgeworfen, die staatliche bestallten Ordnungshüter „durch Demotivierung“ zu schwächen. „Verärgerung und Verbitterung“ hatte auch sein Amtsvorgänger Heiner Bartling (SPD) bei der Polizei ausgemacht – und ihm angekreidet. Ja, sogar Schünemanns Parteifreund Hans-Christian Biallas räumte ein, dass „bei vielen Polizisten“ schlechte Stimmung vorherrsche. Was nicht nur ihn beunruhige.
Alles gegenstandslose Sorgen, folgt man dem Innenminister. Die Aufklärungsquote sei hoch, die Moral der Truppe: Intakt. „Eine schlechte Stimmung kann ich nicht ausmachen“, sagte Schünemann im Landtag.
Erstaunlich, denn tatsächlich sind die Beamten in Grün eins der herausragenden Spar-Opfer der Landesregierung: Weihnachtsgeld weg, Urlaubsgeld weg, dafür ist der Anteil an der Krankenversicherung gestiegen. Bei der Sparklausur im Sommer hat sich zudem das Kabinett darauf verständigt, die Lebensarbeitszeit von Polizisten zu erhöhen. Und weil bei Demos und anderen Großeinsätzen nicht ständig durchgegriffen und sogar manchmal pausiert werden muss, sollen nun auch noch die so genannten Einsatz-Ruhezeiten aus der Stunden-Abrechnung rausfallen.
Maßnahmen, die im Normalfall nicht für gute Laune sorgen. „Ich kenne die Quellen von Herrn Schünemann nicht“, wundert sich deshalb auch der Landesvorsitzende der deutschen Polizei-Gewerkschaft, Thomas Kliewer, über das ministerielle Stimmungsbild.
Er selbst, so Kliewer, komme gerade von einer Veranstaltung in der Polizeidirektion Lüneburg. „Da kommen sich die Leute verschaukelt vor“ – von der Landesregierung. Und das sei keine Lüneburger Besonderheit: „Wenn ich die Beiträge auf unseren online-Foren lese – also ich bekäme da Angst, wenn ich Minister wäre“, so Kliewer.
Im Innenministerium mag man die Einschätzung nicht teilen. Natürlich sei es auch Schünemann „nicht entgangen, dass gegen die einzelnen Kürzungen protestiert worden ist“, so ein Sprecher. Aber an der Spar-Notwendigkeit ändere das nichts – zumal die Streichungen und Kürzungen die Polizei weniger treffe als andere: „Im Landeshaushalt ist das der einzige Bereich der eine Steigerung erfahren hat.“
Die unterschiedliche Wahrnehmung der Stimmung – eine Frage der Erfahrung: „Der Minister“, so sein Sprecher weiter, „führt Gespräche mit Polizisten im ganzen Land.“ Und zwar, wohlgemerkt, nicht bloß auf Führungs-Ebene. „Er hat dort auch immer das Ohr.“ Deshalb sei „sein Erfahrungsschatz einfach größer“ als der eines Abgeordneten. Auch als der von Biallas. Und deshalb wisse Schünemann: „Die Stimmung ist, anders als Herr Bartling behauptet, nicht schlechter geworden.“
Fakt ist, dass auch die Polizisten, die gestern die blauen Uniformen vorführen durften, ein strahlendes Lächeln im Gesicht trugen. Ebensowenig muss bezweifelt werden, dass „die Aufklärungsquote so gut wie nie zuvor“ ist, wie Schünemanns Sprecher hervorhebt. Das spreche für eine gute Motivationslage – „weil man mit unmotivierten Mitarbeitern auch kein gutes Produkt herstellen“ könne.
Ein problematischer Verweis – nicht nur, weil die Aufklärungsziffer bei weitem nicht der einzige Wert ist, den man im Auge behalten müsste: Frustration muss nicht zwangsläufig die Leistung schwächen. Oft entlädt sie sich auch in Aggression. Zugleich leitet sich die Erfolgsquote aus der Kriminalstatistik 2004 – während das Gros der Kürzungen erst im Laufe dieses Jahres voll wirksam wird.
Damals hieß es seitens der Gewerkschaft noch, man werde die Reformen der Landesregierung kritisch aber innovativ begleiten und fördern. Im September 2005 resümiert das Mitglieder-Magazin hingegen: „Ein Innenminister, der mit so vielen Sympathien gestartet war, verliert seine Polizei.“
benno schirrmeister