: Alles muss raus: Arbeitsagentur mistet aus
Ein Großteil der Förderprogramme für Arbeitslose ist ineffektiv und sollte gestrichen werden, sagt die NRW-Regionaldirektion der Arbeitsagentur. Das derzeit beste Mittel gegen Arbeitslosigkeit sei der Weg in die Selbständigkeit
KÖLN taz ■ In der NRW-Regionaldirektion der Agentur für Arbeit rennt die Bundesagentur (BA) mit ihren Vorschlägen zur Streichung von Fördermaßnahmen offene Türen ein. „Wir haben eine Vielzahl von Instrumenten, aber nur wenige sind erfolgreich“, sagt NRW-Agentursprecher Werner Marquis. Die Vorschläge der Bundesagentur, die von 80 Fördermöglichkeiten rund die Hälfte streichen will, seien daher insgesamt sinnvoll. Dass die Arbeitsagentur den „Wust von Förderprogrammen“ überprüfen will, hält auch das NRW-Arbeitsministerium für richtig, wie ein Sprecher erklärt. Für den NRW-Landesverband des Sozialverbands Deutschland (SoVD) ist die Streichliste dagegen „kontraproduktiv“. Die vorgeschlagenen Kürzungen träfen besonders die Arbeitslosen, die am meisten Unterstützung bei der Suche nach einer Arbeit bräuchten – nämlich Ältere und Geringqualifizierte, sagt Marianne Saarholz, NRW-Landesvorsitzende des SoVD.
Doch gerade die Fördermaßnahmen für Altere und Geringqualifizierte hätten sich bislang nicht bewährt, so der Sprecher der NRW-Arbeitsagentur. So seien Weiterbildungszuschüsse für ältere Arbeitnehmer in 2005 bislang nur elf Mal beantragt worden, sagte Marquis. Auch die Entgeldzuschüsse für Ungelernte würden kaum genutzt: So würden beispielsweise polnische Arbeiter immer noch als Erntehelfer bevorzugt, weil die Motivation der deutschen Arbeitslosen einfach geringer sei. „Diese Zielgruppe ist offenbar nicht kompatibel mit den Ansprüchen der Arbeitgeber.“ Der Vorschlag der BA, diese beiden Förderungen zu streichen, sei daher richtig.
Laut SoVD kann man aus den Zahlen allerdings nicht schließen, dass diese beiden Förderprogramme nicht gebraucht werden. „Die Zahlen lassen keine Rückschlüsse zu, ob die Arbeitsagenturen die Menschen über die Programme wirklich informieren“, erwidert Saarholz. So gebe es bei anderen Förderungen, etwa der beruflichen Rehabilitation, „ganz klare Hinweise“, dass die Agenturen Betroffene immer seltener über ihre Rechte und Möglichkeiten informieren – und die berufliche „Reha“ entsprechend immer seltener in Anspruch genommen werde.
Ein Geheimnis der Arbeitsagenturen bleibt auch, warum die „Jobrotation“ hierzulande so erfolglos ist, dass die BA sie jetzt ebenfalls streichen will. Bei der Jobrotation bekommt der Arbeitgeber einen Zuschuss, wenn er für einen Mitarbeiter, der eine Weiterbildung macht, einen Arbeitslosen als Vertreter einstellt. „In Dänemark ist das ein Brüller“, gibt Marquis zu. In NRW sei die Rotation in diesem Jahr dagegen erst 62 Mal beantragt worden. Warum das so ist, könne er sich auch nicht richtig erklären: Der Verwaltungs- und Organisationsaufwand sei bei dieser Förderung nun einmal sehr hoch.
Sehr erfolgreich laufen dagegen laut NRW-Agentur die beiden Existenzgründungshilfen, die die BA künftig zusammen legen will: Ich-AG und Überbrückungsgeld. Neben der beruflichen Qualifizierung seien dies die Hauptförderinstrumente in NRW, sagt Marquis. So sei das Überbrückungsgeld seit Anfang 2003 rund 80.000 Menschen gezahlt worden, im selben Zeitraum hätten knapp 47.000 Arbeitslose eine Ich-AG gegründet.
Über die Zukunftschancen der neuen Selbständigen kann man freilich streiten. Inzwischen seien rund 6.500 Ich-AGler wieder arbeitslos, so Marquis. Auch sei die Arbeitgeber-Kritik an der „Subventionsmentalität“ vieler Gründer nicht von der Hand zu weisen. „Wir fürchten schon, dass es Mitnahmeeffekte gegeben hat, können das aber nicht nachweisen.“ Trotzdem hält Marquis die Existenzgründung insgesamt für das erfolgreichste Programm der Arbeitsagentur: Denn wer sich selbständig macht, ist „erst mal weg von unserer Payroll“. SUSANNE GANNOTT