: Auslieferung Battistis unwahrscheinlich
BRASILIEN Das oberste Gericht entscheidet, dass der frühere Linksextremist Cesare Battisti an Italien aufgeliefert werden kann. Doch es legt die Entscheidung darüber in die Hände von Präsident Lula da Silva
PORTO ALEGRE taz | Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva muss jetzt über eine Auslieferung des früheren italienischen Linksextremisten Cesare Battisti nach Italien entscheiden. Dies hat das oberste Bundesgericht am Mittwoch in Brasília mit fünf zu vier Stimmen beschlossen. Zuvor hatte das Gericht mit ebenso knapper Mehrheit beschlossen, dass Battisti an Italien ausgeliefert werden kann.
Der 54-jährige Battisti war in Italien wegen vierfachen Mordes zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt worden. Fünf der neun Richter werteten die Morde als Verbrechen ohne politischen Charakter und stimmten dem Auslieferungsbegehren Italiens damit grundsätzlich zu. Anfang 2009 hatte die brasilianische Regierung Battisti politisches Asyl gewährt, was in Italien heftige Empörung ausgelöst hatte.
Für den Vorsitzenden Gilmar Mendes, der sich gern als innenpolitischer Kontrahent zur Regierung aufspielt, ist hingegen das Votum des obersten Gerichts, Battisti auszuliefern, für Brasiliens Präsidenten bindend. Andernfalls, meinte er, riskiere Lula ein Amtsenthebungsverfahren.
Brasilianische Medien äußerten am Donnerstag die Erwartung, dass der Präsident Battisti trotz des großen Drucks aus Rom nicht ausliefern und Gesundheitsgründe anführen werde. Vor einer Woche war der Italiener, der an Hepatitis leidet, in einen Hungerstreik getreten. Linke Parlamentarier hatten ihn in der Untersuchungshaft demonstrativ besucht.
Als Mitglied der linksextremen Splittergruppe „Bewaffnete Proletarier für den Kommunismus“ soll Battisti Ende der 70er-Jahre in Italien vier Morde begangen haben oder an ihnen beteiligt gewesen sein. Nach einer ersten Verurteilung im Jahre 1981 war Battisti nach Frankreich geflohen, später nach Nicaragua und Mexiko. 1990 ließ sich Battisti erneut in Paris nieder. Präsident François Mitterrand gewährte ihm Asyl. Battisti machte in Frankreich Karriere als Übersetzer und gefeierter Krimiautor. Inzwischen war er in Italien wegen Aussagen von Kronzeugen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Unter Jacques Chirac drohte ihm deshalb 2004 die Auslieferung, der er sich durch eine erneute Flucht entzog. Im März 2007 wurde er dann in Rio aufgrund eines französischen Haftbefehls festgenommen. Battisti beteuerte stets seine Unschuld und erklärte, dem bewaffneten Kampf schon vor den fraglichen Morden abgeschworen zu haben. GERHARD DILGER
Meinung + Diskussion SEITE 12