IM RAUCH
: Wie früher

Wir öffnen die Tür und durchstoßen einen Rauchvorhang

Wir treffen uns am Rathaus Neukölln und biegen Richtung Sonnenallee in die nächstbeste Straße ein. Trotz absurder Kälte sitzen draußen ein paar in Decken Eingehüllte vor ihrem erkalteten Essen. Wir finden einen Laden, der uns geerdet und nicht zu freundlich erscheint. An der Tür klebt ein Zettel: Raucher, kommt rein, F. kauft noch auf der anderen Seite Zigaretten.

Wir öffnen die Tür der Kneipe und durchstoßen mit den Köpfen einen Rauchvorhang. F., der ein paar Jahre älter ist als ich, sagt: „Das war früher überall so, in jeder Kneipe, in jedem Restaurant, toll.“ Wir bestellen am Tresen und setzen uns an einen Tisch, der direkt neben einem Lautsprecher steht, aus dem seichte Folkmusik dudelt. Nach einer halben Stunde schrubbt laute Rockmusik aus den Boxen. F. sagt, er würde sich vorkommen wie eine Maus in einem Topf Wasser, das von unten langsam erwärmt wird.

Wir wechseln zu einem Tisch, der so weit wie möglich davon entfernt steht. Neben uns sitzen drei schöne Frauen und unterhalten sich auf Spanisch. Wir bestellen wieder am Tresen. Das Bier wird gebracht. „Das ist gut hier“, sage ich, „wie lange gibt’s euch hier schon?“ „Seit zwei, drei, nein, seit vier Jahren, glaube ich“, sagt der Mann in einem derben süddeutschen Dialekt und lächelt. „Ah, okay“, sagt F., „deshalb, da bin ich hier gerade weggezogen!“ „Wo hast du früher gewohnt?“ „Fuldastraße.“ „Und jetzt?“ „Friedenau.“ Der Mann dreht sich abrupt weg, geht und hört gar nicht mehr, wie F. erklärend sagt: „Bin vor vier Jahren Vater geworden.“ Ich sage: „Hey, mein Lieber, der Typ hat zwar geredet, als hätte er ein Kleintier im Mund, aber du, du kommst aus Friedenau!“ BJÖRN KUHLIGK