leserinnenbriefe :
Bologna gestern und heute
■ betr.: „Meine Bologna-Reform“, taz vom 23. 11. 09
Berichte aus unmittelbarer Erfahrung wie der von einem Studium in Bologna von Ralph Bollmann sind sehr zu begrüßen! Allerdings: Die Erfahrungen des Autors sind ebenso speziell wie die von ihm besuchten Veranstaltungen an deutschen Unis. Zunächst einmal werden hier in Seminaren und Vorlesungen nicht nur überspezialisierte, dem Außenstehenden grotesk erscheinende Themen behandelt.
Im Übrigen hängt die Qualität einer Lehrveranstaltung nicht so sehr von einem speziellen Thema ab. Die Themen ändern sich – hoffentlich – in jedem Semester, und man kann, pardon: konnte sich auch in jedem Semester neu entscheiden. Es sind aber vielmehr die jeweiligen Dozenten, die auch aus den scheinbar sehr speziellen Testamenten einer Lübecker Ratsfamilie interessantes Forschungsmaterial machen können oder eben nicht. Und die Dozenten sind es auch, die ihre eigenen Forschungsergebnisse in den allgemeinen thematischen Zusammenhang einbetten können (oder nicht), sodass vielleicht das „finstere“ Mittelalter an Farbe gewinnt, wenn man den Lübecker Alltag in alten Schriftstücken lebendig werden lässt. Wir Magister-Studierende können, ich meine: konnten! ganz einfach über die Güte von Lehrveranstaltungen und Dozenten befinden: Gute Vorlesungen wurden gut besucht, und zu komplizierten und sehr spezialisierten Seminaren gingen die „Nerds“ unter uns. Diejenigen, deren Dozent doch nur aus einem Buch vorlas, ohne eigene Gedanken einzubringen, konnten zumindest dessen Vorlesung ausfallen lassen und bildeten sich selbstständig weiter.
Es ist klar: Ralph Bollmann ist für ein selbstständiges Studium mit interessanten, thematisch nicht abgehobenen Veranstaltungen: Der Autor selbst hat sich ja seinerzeit die Überblicksvorlesungen an der Uni Bologna erspart, weil man natürlich die Bücher auch gleich selbst lesen konnte, die man auswendig lernen musste. Der Unterschied zwischen dem Bologna des Autors damals und dem „Bologna“ heute hier in Deutschland besteht unter anderem darin, dass man jetzt gezwungen wird, sich auch dann in die Vorlesung zu setzen, wenn man lieber gleich das Buch auswendig lernen würde. Unter anderem. CHRISTOPH CARMESIN, Halle
Drang nach bester Rendite?
■ betr.: „Marxisten müssen sich neue Hausbank suchen“,taz vom 21. 11. 09
Es ist ja vollkommen nachvollziehbar, dass man ungern von einer Bank gekündigt wird und auch in Betracht zieht, dagegen zu klagen, vor allem wenn es Unrecht ist. Was ich allerdings nicht verstehe: Wie kommt die Marxistisch-Leninistische Partei überhaupt auf den Gedanken, bei der Deutschen Bank Konten zu betreiben? Entweder verstehe ich etwas an dem Selbstverständnis dieser Partei nicht, oder der Drang nach bester Rendite bei minimalen Kosten (für einen selber) macht auch vor einer MLPD nicht halt …
GERHARD REESE, Jena
Deutschland im Krieg
■ betr.: „Auslandseinsätze. Guttenberg will sie zur Routine machen“, taz vom 21. 11. 09
Eine kleine ap-Notiz in der taz für solche bedeutenden Worte unseres neuen „Verteidigungs“-Ministers? Als ich diese Worte in den Radionachrichten hörte, war ich sehr erschrocken und rechnete mit einem Riesenaufmacher am Samstag oder spätestens am Montag in der taz. Aber nein, der lange Bericht am Montag über Guttenbergs Antrittsbesuch in den USA erwähnte dieses Statement mit keinem Wort. Gewöhnt ihr euch auch schon an Deutschland im Krieg?
Für alle, die diese Notiz überlesen haben; hier sind die entscheidenden Worte noch einmal: „Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Routine machen. Was heute eine Ausnahmesituation sei, müsse zur Selbstverständlichkeit werden (…) Zur Begründung führte Guttenberg die (…) gewachsene Bedeutung Deutschlands in einer global vernetzten Welt an.“ Damit schließt sich Guttenberg in einem Kotau vor den Amerikanern den imperialen Kriegstreibern an, die seit Vietnam nur Unheil über die Welt gebracht (und aus den Desastern bis jetzt nichts gelernt) haben. Ausgerechnet Deutschland, das mit seiner grauenvollen Vergangenheit ein Pionier echter Friedensstiftung (nicht der gewaltsamen „Befriedung“) sein sollte! Fragt sich, ob diese Worte ein Ausrutscher in die Wahrheit waren? Immerhin hat sich der jetzige Verteidigungsminister ja als Wirtschaftsminister profiliert, und die Rüstungsindustrie bewährt sich jetzt als „krisenfeste“ Branche. Sollte da vielleicht ein Zusammenhang bestehen? Wenn Guttenberg dann in ach so fernen rot-rot-grünen Zeiten seinen Aufsichtsratsposten annimmt, wissen wir Bescheid. SABINE MIEHE, Marburg