Weiche Währung

Gesungenes Feingold, getanzte Globalstücke: In der „Aktionsbank“ wird der Raum, eine Ex-Bankfiliale, zum Stichwortgeber für Kunstprojekte

VON JONAS ZIPF

Von der Chausseestraße kommend betritt man auf Marmorfliesen die Eingangshalle. Rauschte der Verkehr gerade noch dicht in Richtung Friedrichstraße, herrscht plötzlich angenehme Ruhe – die arbeitsame, sterile und doch gut sortierte Ruhe einer Bankfiliale. An einem Holztisch wartet Marc Pohl beim Kaffee: „Viele Leute, die hierher kommen, fragen sich, ob wir im Lotto gewonnen haben oder sie hier falsch sind.“

Doch sie sind meistens richtig in der „Aktionsbank“. Die betreibt seit Juli der ausgebildete Puppenspieler Marc Pohl zusammen mit der Dramaturgin Katja Kettner. Kettner versucht, beschreibende Worte für die Aktionsbank, diesen Galerieraum im exklusiven Loft-Outfit, zu finden, und landet bei: „ungewöhnlicher Veranstaltungsstätte“. Das trifft zumindest: Immerhin befindet man sich in einer ehemaligen Filiale der Dresdner Bank. Die Immobilie stand leer – die katholische Kirche hatte sie von der Bank gekauft, wusste aber nicht, was damit anfangen, und suchte nach einem Zwischennutzungskonzept. Pohl, der schon immer von einer eigenen Spielstätte geträumt hatte, hörte von dem Ort und war sofort begeistert von seinen Möglichkeiten: einen „kapitalistischen Raum“ von innen künstlerisch auszuleuchten, ihm ein neues Gesicht überzustülpen.

Als er Kettner anrief – die beiden kennen sich aus einer „Warten auf Godot“-Produktion mit gehörlosen Schauspielern –, reagierte die erst mal skeptisch, war dann aber schnell von der Idee überzeugt, den Bank-Gedanken aufzugreifen: „Wir wollen umdefinieren, was die Gesellschaft mittlerweile als Verlustgeschäft betrachtet, als unprofitabel oder nicht wertsteigernd: Ideenvielfalt und Kreativität.“ Die Aktionsbank tut so, als könne man kreatives Potenzial zahlenmäßig beziffern – und verweist so bewusst auf deren grundlegend unbezifferbaren Wert. Pohl und Kettner sind sich einig: „Es kann nicht sein, dass man mit markt- und volkswirtschaftlichen Argumenten und Maßstäben an den Kulturbetrieb herantritt.“ Und was ließe dieses pervertierte Denken über Kultur besser hervortreten, als die Kultur gleich in ein Bankeroutfit zu stecken.

Den programmatischen Bogen der Aktionsbank bildet die Schnittfläche zwischen bildender und darstellender Kunst. Vorschläge machen kann jeder. Wichtig ist den beiden Machern nur, dass die eingereichten Konzepte mit der neutral-sterilen Atmosphäre der Exbank spielen, „den Raum wahrnehmen“. So will der Regisseur Tim Lang sein Stück „Rendez-Vous“ als ein 360°-Panoramaspiel inszenieren, das den Raum konsequent nutzt: die Wendeltreppe in den Keller, in dem sich neben der Tiefgarage auch ein alter Tresor befindet, den Konzertflügel in der Ecke und das ehemalige Büro im Nebenzimmer.

Außerdem jonglieren alle Veranstaltungen in der Aktionsbank mit den Begriffen der Finanzwelt: Ein Chor-Abend läuft unter dem Titel „Feingold“, Rockkonzerte werden als „Börsenkrach“ angekündigt, Klezmermusik als „Exotenfonds“. Natürlich ist die Bespielung der glatten Oberfläche in der Theater- und Kunstwelt kein Novum. Auch Pohl hat beobachtet, „dass sich gerade das Off-Theater aus den traditionellen Fabrik-Locations rausbewegt“. Da stehen die beiden Theaterleute mit der Aktionsbank an vorderster Front: keine Blackbox, kein Ausstellungsloft, sondern einfach ein frei nutzbares Präsentationsportal für unbekannte Nachwuchskünstler.

In Berlin sind die Aktionsbankmacher mit diesem Ansatz Teil eines Netzwerks unabhängiger Kulturinitiativen, das ständig wächst: Das Mime-Centrum im Prenzlauer Berg und das Kulturhaus Mitte gehören auch dazu. Künstler-Vernetzung und spartenübergeifender Kulturaustausch läuft über vermittelnde Gruppen wie dem Förderband Kulturinitiative oder dem Kreuzberger Künstlernetzwerk Strohlinka – und zwar auf immer höheren Touren.

Kettner und Pohl lächeln zum Abschied entspannt: Sie haben die Standortfrage für sich geklärt. Und sie haben einen Weg gefunden, der sich als Systemkritik liest und gleichzeitig eine Methode ist, sich im System zu behaupten. Indem sie sich anpassen an das in der Kulturlandschaft mehr und mehr auftauchende Ideal glatter Oberflächen, schaffen die beiden ein Stückchen Frei-Raum.

Aktionsbank, Chausseestraße 128; nächste Termine: 21./22. 10., jew. 20 Uhr, Special „Geldwäsche“ (Objekttheater „Schaumschlag“)