Schnappschuss mit Sexappeal

Hallo, Gefühle, hallo, Hollywood! Camerawork zeigt die Big-Budget-Inszenierungen des New Yorker Werbefotografen David Drebin

Wenn der in New York lebende Werbefotograf David Drebin seiner künstlerischen Arbeit nachgeht, bewegt er sich von den Produktionsstätten seiner Auftraggeber Nike, Mercedes oder Elle nicht weit weg, um nach Motiven zu suchen. Seit ein paar Jahren nutzt er die Schauplätze seiner Shootings, um dort auch die Fotografien zu schießen, deren Auftraggeber er selbst ist und die in Galerien, nicht in Zeitschriften und auf Plakaten zu sehen sind: eine Bushaltestelle irgendwo in New York, ein unnatürlicher Lichtkegel erleuchtet die alltägliche Szene Schlange stehender Menschen. Drei zeitgenössische Grazien in trashigen Klamotten, schrägen Gürteln, ausgefransten Jeans sind dabei in einer Gruppe besonders in Szene gesetzt. Zwei von ihnen diskutieren miteinander, während sie auf den Bus warten. Die dritte Frau harrt mit wehenden Haaren und Venusblick zwischen ihnen aus.

Ein inszenierter Schnappschuss einer Alltagsszene, für den wohl Jeff Wall formal und die Kunstgeschichte inhaltlich Pate standen. Das Resultat hat jedoch nicht die Überzeugungskraft eines Jeff Wall, Gregory Crewdson oder die Beobachtungsgabe eines frühen Joel Meyerowitz. David Drebin schafft es nicht, sich von der Werbeästhetik zu lösen oder zumindest seine Erfahrung mit dieser hochstilisierten Gebrauchsfotografie für eigene Aussagen zu nutzen. Seine Bilder im Billboard-Format sind Big-Budget-Produktionen mit Hollywoodappeal – und insofern selbstreflexiv, als sie nur gespielte Gefühle zeigen. Der Schritt zur Seite, der Blick hinter die Kulissen durch den Fotografen zeigt nur eine zweite Bühne, auf der sich die Protagonisten ihren Rollen hingeben.

Dabei glaubt Drebin von sich selbst, er könne die Position eines beobachtenden Psychologen einnehmen: „Da ich aus einer Richtung komme, die darauf basiert, wie ich die Welt mit meinen Augen, Ohren und Verstand wahrnehme, sehe ich mich nicht nur als Fotograf, sondern als psychologischen Fotografen.“ Das zusammengekauerte Model am Pool mit seinen langen blonden Haaren und den langen Beinen spielt jedoch auch vor Drebins künstlerischem Kameraauge eine fiktive Rolle und wiederholt höchstens die altbekannten Klischees vom unglücklichen Mannequin.

Überzeugender sind die wenigen Arbeiten, in denen sich Drebin ganz seiner Vorliebe für den Film hingibt. Das stärkste Bild zeigt zwei Männer, die er bei einer Produktion von der Straße aufgelesen und für eine filmszenenartige Situation in ein Cabriolet gesetzt hat. Das ist keine glatt gekämmte Produktwerbung mehr, sondern erinnert an die Ästhetik des Films der Sechzigerjahre. Plötzlich weiß Drebin, wie er sein Motiv so inszeniert, dass es den Betrachter ins Bild hineinzieht und fasziniert. Die Straße kippt nach unten weg, auf der das Auto gerade aus dem Bildausschnitt entschwindet. Die düstere, konzentrierte Miene des Fahrers erzählt von möglichen Erlebnissen der Männer – vor wem sind sie auf der Flucht? Das Bild ist in Bewegung, es gibt ein Davor und Danach, und so tritt die Aufnahme in Kommunikation mit dem Betrachter, der mit seiner Vorstellungskraft das Bild vollenden kann.

Doch insgesamt sind die Inhalte zu beliebig. Es ist offensichtlich, dass Drebin seiner Arbeitswelt allzu sehr verhaftet ist, in deren Zentrum das Produkt steht. Das führt dazu, dass in jeder Arbeit ein anderer Ansatz ablesbar ist, eine künstlerische Strategie fehlt: Eine blonde Frau steht mit hochgezogenem T-Shirt auf einer Brücke und zeigt den Autofahrern unten auf der Straße ihre nackten Modelbrüste. Ein Pärchen sitzt süffisant lächelnd auf einem Bett. Bei näherer Betrachtung wird klar, dass der Mann in Boxershorts bestimmt 30 Jahre jünger ist als die Frau im durchsichtigen Dessous. Zurück bleibt ein sarkastischer Ton, der wenig über die Welt, aber viel über das Arbeitsumfeld von David Drebin aussagt.

SWANTJE KARICH

David Drebin, bis 17. 11., Di. bis Fr. 10–18, Sa. 10–16 Uhr, Camerawork, Kantstraße 149