Nicht immer so gemütlich

Michael Häupl ist so sehr zum Inbegriff des Wiener Bürgermeisters geworden, dass sich die meisten keinen anderen mehr vorstellen können. Auf Karikaturen wird der 56-jährige Biologe oft als schmunzelnder Fiakerkutscher dargestellt. Seine physische Erscheinung unterstreicht diese gemütliche Ausstrahlung, die als typisch wienerisch betrachtet wird. Nach dem Sieg vom Sonntag kann er die nächsten fünf Jahre mit einer ausgebauten absoluten Mandatsmehrheit von 55 im 100-sitzigen Gemeinderat regieren. Am Ende seiner dritten Amtsperiode wird er der längstdienende Bürgermeister der Stadt sein.

Doch Häupl war weder immer gemütlich noch immer souverän. Als Student der Biologie und Zoologie schloss er sich zunächst der schlagenden Studentenverbindung Rugia an. Relativ bald aber vollzog er die politische Wende und ließ sich vom Verband Sozialistischer Studenten (VSStÖ) anwerben. Obwohl er 1975–1977 als dessen Vorsitzender fungierte, prädestinierte ihn seine Dissertation über die Schädelkinetik subtropischer Kleinechsen nicht wirklich für die Politik. Er zögerte deswegen anfänglich, als ihn Helmut Zilk als Umweltstadtrat ins Rathaus holte und 1994 zu seinem Nachfolger auserkor. Seine erste Wahl im Jahr 1996 verlief alles andere als glorreich: Die SPÖ rutschte von fast 50 auf 39 Prozent ab und verlor damit die scheinbar vererbliche absolute Mehrheit.

Häupl musste mit der ÖVP eine Koalition eingehen, um die erstarkte FPÖ, die fast 28 Prozent abräumte, in Schach zu halten. Damals fiel auch das Zitat, wonach er „die Lufthoheit über die Stammtische“ verteidigen müsse, also gezwungen sei, fremdenfeindliche Töne anzuschlagen, um nicht zu viele Wähler zu verlieren.

Erst im Wahlkampf 2001, als Jörg Haider mit schrill fremdenfeindlichen und antisemitischen Parolen den Sturm auf das Rathaus unternahm, fand der Bürgermeister klare Worte der Abgrenzung und wurde mit einer absoluten Mandatsmehrheit belohnt. Wien ist zwar eine gut verwaltete Stadt mit höchstem Lebensniveau, doch die Integrationsmaßnahmen für rund 20 Prozent Migranten mit oder ohne österreichischen Pass reichen nicht aus. Deswegen findet der Rechtspopulismus immer noch ein fruchtbares Feld. Häupl wird daran zu messen sein, wie er in Wien auf die neue Herausforderung der FPÖ reagiert. Denn dass er sein Amt abgeben könnte, um die SPÖ als Kanzlerkandidat in die nächsten Nationalratswahlen zu führen, ist auszuschließen, obwohl er ständig gedrängt wird, den glücklosen Parteichef Alfred Gusenbauer abzulösen. Da ist Häupl absolut glaubwürdig: „Warum sollte ich den besten Job der Welt aufgeben?“

RALF LEONHARD