Flackernde Säbel

Niedersachsens SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner räumt eine Teilschuld am Abgang von Franz Müntefering ein – was ihn als Spitzenkandidat für die nächste Landtagswahl disqualifizieren könnte

von Kai Schöneberg

„Ich bleibe in Hannover“, sagt Wolfgang Jüttner und hebt die Hände hoch wie jemand, der mit der Pistole bedroht wird. Nein, dass der niedersächsische SPD-Fraktions- und Noch-Parteichef zum Umweltminister im Kabinett Merkel werden könnte, wo der designierte Ressortchef Sigmar Gabriel an diesem Nachmittag als neuer SPD-General gehandelt wird, dürfe wirklich niemand glauben. Jüttner, einst unter Ministerpräsident Gabriel selbst Umweltminister in Niedersachsen, ist wegen einer ganz anderen Sache unter Beschuss. Wütende Mitglieder rufen an, es gibt bereits Austritte aus dem SPD-Landesverband, weil Jüttner mit seinen öffentlichen Plädoyers für Andrea Nahles als Generalsekretärin der SPD zum Abgang von Franz Müntefering als Parteichef beigetragen hat.

„Manchmal sind die Säbel unterm Tisch, manchmal flackern sie auf. Gestern war Flackertag“, bemüht der SPDler ein schiefes Bild, um über die Sitzungen der Landtagsfraktion und des Hannoverschen SPD-Bezirksvorstands zu berichten, in denen Jüttner am Dienstag mächtig Prügel für die Demontage Münteferings bezogen hatte. Die Kritik in den Gremien sei „deutlich“ gewesen. Jüttner, der in der Sitzung des SPD-Parteivorstands in Berlin bei der für Müntefering maßgeblichen 23:14-Niederlage gar keine Stimme hat, sagt selbstkritisch, er sei „einer Fehleinschätzung unterlegen“. Nach dem Rücktritt Müntes sei das Bild der SPD „desaströs“.

Allerdings: Er habe bis zum Hinschmeißen des großen Vorsitzenden aufrichtig geglaubt, dass die „demokratische Kultur“ in seiner Partei „nicht zum Fremdwort verkommen“ darf, also dass mit Kajo Wasserhövel als General die „Müntokratie“ in der SPD Einzug gehalten hätte. Vielleicht kann man dem reuigen Jüttner das sogar abnehmen.

Böse Zungen behaupten trotzdem weiter, dass der niedersächsische SPD-Landesverband erneut mit Rankünen der Partei geschadet hat. „Ich mach’ euch fertig“, hatte der damalige Parteichef Gerhard Schröder nach dem niedersächsischen Stänkern auf dem Bochumer Parteitag 2003 gegen Exgeneralsekretär Olaf Scholz gewütet. Nun, so die Gerüchte, sollen sich Parteilinke und Netzwerker verbündet haben, um Müntefering an die Kette zu legen. Strippenzieher: Netzwerker Gabriel und seine Vertrauten, der Bundestagsabgeordnete Hubertus Heil und Garrelt Duin, Chef des Bezirks Weser-Ems. Während Heil und Duin öffentlich für die Parteilinke Nahles plädiert hatten, hielt sich Gabriel dezent zurück. Zerknirscht sagt Jüttner nur, die „Gruppe der derzeit diskutierten Schuldigen ist etwas zu klein“.

Beim Landesparteitag am Wochenende in Walsrode wird Jüttner Franz Müntefering wieder treffen – und nicht nur der designierte Vizekanzler dürfte dort deutliche Worte für die Niedersachsen-Sozen finden. Eigentlich hatte hier eine machtvolle Inthronisierung Jüttners als Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Jahr 2008 stattfinden sollen. Jetzt stellen schon erste Genossen Jüttner in Frage. Und auch Duin, der am Samstag zum neuen SPD-Landeschef gewählt werden soll, hat Schrammen abbekommen. Das wird sich an der Zahl seiner Ja-Stimmen zeigen.