: Mauern bauen keine Kultur
Betr.: „Premiere I: Im Schatten der Krise“, taz bremen vom 24.10.2005
So mancher, der die derzeitige Misere um das Bremer Theater aufmerksam mitverfolgt hat und dem das Kulturleben dieser Stadt am Herzen liegt, hat sich in den letzten Wochen gefragt, wie es sein kann, dass ein Politiker, der für eben dieses kulturelle Leben von Amts wegen zuständig ist, der also Fürsprecher von Bremens Kultureinrichtungen sein sollte, derart herz-, sachkenntnis- und skrupellos zu Werke gehen kann, wenn es um das Überleben von Bremens größter Kultureinrichtung geht.
Antwort erhält man unter anderem, wenn man sich den Namen der Behörde ansieht, der Jörg Kastendiek vorsteht. Er ist Senator für Wirtschaft, Häfen und Kultur. Abgesehen davon, dass in Kastendieks Behörde die Kultur allein vom Titel dieser Behörde her an letzter Stelle steht, hat man das Ressort Kultur mit den nicht eben verwandten von Wirtschaft und Häfen zusammengefasst. Eine Person an der Spitze dieser Behörde muss also, will sie gewissenhaft mit der Verantwortung ihres Amtes umgehen, in Dingen der Wirtschaft und der Häfen über ähnliche Kompetenzen verfügen wie in Dingen der Kultur. Ist dies bei Kastendiek der Fall, bei einem Mann also, der bisher – außer als politischer Ämterbekleider – als Betonstahlbauer und „technischer Angestellter/Kalkulator“ (!) mit Bauingenieursdiplom tätig war? Dass er ein eiskalter Kalkulator ist, können die über 430 Angestellten des Theaters samt Familien, von denen viele derzeit am Tropf der Banken hängen, sicher jederzeit bezeugen. Auch dass er es versteht, Mauern zu bauen, hat er zur Genüge bewiesen. Diese beiden „Kompetenzen“ sind aber leider alles andere als kulturfördernd.
Nein, ohne Zweifel ist mit Jörg Kastendiek trotz der großen Fußstapfen, die ihm seine Vorgänger in dieser Hinsicht hinterlassen haben, ein trauriger Tiefpunkt erreicht für das Kulturleben Bremens. Aber damit nicht genug: Kastendieks Verhalten bedeutet zugleich einen tiefen Einschnitt für die politische Kultur dieser Stadt. Und auch wenn die hohe Fluktuation im Amte des Kultursenators mit verantwortlich für die Krise des Theaters sein mag, so wünscht man sich doch, dass diese Fluktuation noch ein wenig anhält – zumindest so lange, bis die Bremer Kulturszene einen Kultursenator bekommt, der sich auf Kunst besser versteht, als auf Beton.
HILKO EILTS, Bremen