: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Während „Jugend forscht“ die SPD übernimmt, dematerialisiert sich die politische Elite rund um Merkel. Die kann beruhigt die Leichen ihrer Feinde an sich vorbeitreiben sehen. Und mit ihnen werden inhaltliche Großprojekte entsorgt
taz: Was war schlecht in der letzten Woche?
Friedrich Küppersbusch: Aktion „Jugend forscht“ übernimmt SPD-Führung.
Was wird besser in dieser?
Mit Schröder als Kanzler-der- und Münte als Vorsitzender-der-Herzen hat SPD komplette Zweitpartei am Lager.
Wer wird denn in dieser Woche noch so alles zurücktreten?
Schröders Ausbruch vom Wahlabend, unverhohlen jeden verfügbaren Brutus zur schändlichen Tat zu rufen, zielte erklärt auf Merkel. Erwischt hat es inzwischen alle außer ihr – vorneweg Schröder, dann Münte, dann Stoiber, dahinter Wasserhövel, Nahles. Merkel darf schon jetzt als Gottmutter der BDU (Buddhistisch-Demokratische Union) gelten – die am Fluss sitzt und wartet, bis die Leichen ihrer Feinde vorbeischwimmen.
Und? Übersteht Edmund Stoiber die nächsten fünf Tage als Ministerpräsident?
Scheint so, denn weder konnten Beckstein und Huber einen klaren Vorsprung herausarbeiten – noch stünde einer von beiden für einen Generationswechsel.
Beobachten wir derzeit eine erfrischende Belebung der CSU-Streitkultur?
Hm. Wichtiger ist doch: Was sagt es über Zustand und Güte unseres Oppositiönchens, dass man diese Frage diskutiert?
Heute Abend will sich die große Koalitionsrunde noch einmal mit den Finanzen befassen. Hat sie etwa Einleuchtendes zur Lösung der Haushaltskrise angeboten?
Der kleinste gemeinsame Nenner der Koalition scheint Sparpolitik zu sein. Das ist zwar traurig, dass sie weder Idee noch Mut zum Spiel hat. Aber vernünftig, den Platz zu entwässern und zu harken, für die besseren, die danach kommen mögen.
Auch in der Gesundheitspolitik ist alles unklar. CDU und SPD beharren auf ihren Konzepten. Könnte ein Koalitionsvertrag solch strittige Fragen einfach offen lassen?
Paradebeispiel. Die Union wird die Entsolidarisierung durch Kopfpauschale fallen lassen, die SPD die Solidarisierung durch mehr Beitragszahler und höhere Bemessungsgrenzen. Jeder stellt Maximalforderung und man einigt sich bei wedernoch. MP Wulff und andere drängen bereits auf eine umfassende, präzise Gebrauchsanweisung, weil das Vertrauen zwischen den Koalitionären nicht ausreiche.
Wird es denn noch Überraschungen mit schwarz-rot geben? Neue Projekte wie Hartz IV hatte Rot-Grün 2002 doch auch nicht in den Koalitionsvertrag geschrieben.
Damals reichte das Vertrauen, man war in der zweiten Legislatur miteinander. Etwas, das diese neue Koalition nie erleben wird.
Man weiß zwar nie, aber das Personaltableau der neuen Regierung dürfte jetzt endlich stehen. Wie gruselig wird es denn?
Das erste Kabinett Merkel erinnert inzwischen an das letzte Kohl: lauter Leute, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie von Merkel abhängen (Schavan, Jung) oder die ohne Hausmacht dastehen (Steinmeier, Zypries, Wieczorek-Zeul, neuerdings auch Müntefering). Die Idee, die Besten, durchaus auch machttechnisch Gefährlichsten um sich zu versammeln, kann ich noch in Schäuble sehen, dahinter wird’s duster. Viel wird vom Zusammenspiel Münte/Platzeck abhängen.
Am Mittwoch jährt sich wieder mal der 9. November. Woran sollen wir zuerst denken?
An die Doofheit der Deutschen, einen Nationalfeiertag zu ertragen, der sich zur ganzen jüngeren Geschichte bekennt: Ausrufung der Republik, Hitlerputsch, „Reichskristallnacht“, friedliche Wende in der DDR.
Und was macht Borussia Dortmund?
Tritt gern von dieser medialen Präsenz zurück, um einem anderen wichtigen Thema des Dortmunder Lokalsports Raum zu geben: Die Radfahrrundstrecke am Westfalenpark ist wegen „vermuteter Tagebruchgefahr bis auf Weiteres gesperrt“. Das ist in Zeiten von Herbstlaub, nassen Straßenbahnschienen und früher Dunkelheit eine Frage von nunmehr nationale Bedeutung, was die taz durch Abdruck dieser Zeilen unterstreicht. Also die Frage, wo ich denn jetzt bitte abends ungefährdet in Ruhe Rad fahren soll?
FRAGEN: HEIKE HOLDINGHAUSEN