: Realistische Höhenflieger
SPORTFÖRDERUNG Die Turner haben ihre Ziele für Olympia 2016 formuliert. Die Trampolinsportler geben sich dabei überaus bescheiden. Eine Medaille wollen sie diesmal nicht versprechen
KÖLN taz | Trampoline sind beliebt: Die Kleinen springen im heimischen Garten-Minitramp, auf keinem Volksfest fehlt eine Hüpfburg, und selbst in der Schule ist das Gerät allemal beliebter als Reck und Barren. Trampolinturnen ist olympische Sportart – doch die ist keineswegs so populär. Wer weiß zum Beispiel, dass die einzige olympische Goldmedaille, die der Deutsche Turner-Bund in diesem Jahrhundert zu verbuchen hat, auf das Konto der Trampolinerin Anna Dogonadze geht?
Medaillen aber sind wichtig, heißt es. Sie wollen geplant sein. So empfing der DOSB am Donnerstag Vertreter des DTB zu sogenannten Zielvereinbarungsgesprächen für den Olympiazyklus bis 2016. Dabei ging es um die Aussichten der Kunstturner, die mit drei Silbermedaillen die DTB-Bilanz von London gut aussehen ließen, um die Turnerinnen, die Rhythmische Sportgymnastik und eben um das Trampolinturnen. Auch Michael Kuhn war dabei. Der 48-jährige Diplomsportlehrer ist seit 1997 Cheftrainer, olympisch ist das elastische Tuch seit 2000. Kuhn hat eine klare Haltung: „Mehr als Finalplätze darf man dort nicht reinschreiben, sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern“, sagte er.
Kuhn ist Realist. Die fast 40-jährige Anna Dogonadze, die 2012 ihre vierten Spiele erlebte, beendet ihre Karriere in diesem Jahr. Auch mit Henrik Stehlik, seit seiner Bronzemedaille 2004 der deutsche Trampoliner, wird in Rio nicht mehr zu rechnen sein. Beide, so Kuhn, sind momentan „nicht zu ersetzen“. Vor fünf Jahren hatte er eine Zielvereinbarung für London unterschrieben, es galt, „bei den Frauen einen Finalplatz und bei den Männern eine Medaille zu erreichen“. Die Erwartungen seien bei den Männern aber nicht an Stehlik, sondern an zwei jüngere Turner geknüpft gewesen, erklärt Kuhn. Die sind aber über die Jahre aus verschiedenen Gründen ausgeschieden. Kuhn habe „mit dem DOSB sehr gute Gespräche geführt“, in denen man die Erwartungen gemeinsam auf eine Finalteilnahme herunterschraubte. Grundsätzlich findet er, „dass das Instrument der Zielvereinbarung und die Evaluationen sinnvoll sind“. In London haben seine Turner das vereinbarte Ziel der Finalteilnahme allerdings beide verfehlt.
Die Frage ist, wer jetzt welche Ergebnisse für 2016 prognostizieren kann. Über die genauen Fördersummen, die der DOSB den Verbänden zuteilt, soll bis Ende März entschieden werden. „Wenn der Verband für sich reklamiert, wir wollen olympische Medaillen gewinnen, dann ist das ein hehrer Wunsch“, sagt Kuhn, den könne man natürlich obendrüber schreiben, aber „eine konkrete Zielstellung wird auf der Arbeitsebene erledigt und umgesetzt“. Kuhn setzt für 2016 auf Martin Gromowski und Jessica Simon, beide haben Erfahrung und internationale Erfolge vorzuweisen, allerdings zumeist in den nichtolympischen Synchronwettbewerben. Würden sie sich für Rio qualifizieren, dann wäre Kuhn schon „sehr glücklich“.
Die Auswahl an Spitzenathleten ist gering, was kaum wundert, gibt es doch in ganz Deutschland nur „sechs oder sieben Vollzeittrainer“. Aber Kuhn ist guter Dinge, und das, obwohl auch sein Fachgebiet unter den finanziellen Nöten des DTB im Zuge des Neubaus in Frankfurt leidet. Die Förderung der beiden einzigen Nachwuchsstützpunkte in Cottbus und München ist seit Jahresbeginn gestrichen. Da geht es um ein paar tausend Euro, „die bei Bedingungen, wie wir sie haben, wirklich ins Mark treffen“. All das, was Cheftrainer Kuhn nun in die Wege leitet, zielt denn auch schon über 2016 hinaus in Richtung 2020. Wer weiß, was bis dahin aus den DOSB-Zielvereinbarungen geworden ist.
SANDRA SCHMIDT