: Reden, so dünn wie das Papier
Wowereit erinnert an 1933
Am Ende von Klaus Wowereits kurzer Rede klatschte – niemand. Der Regierende Bürgermeister hatte am Mittwochvormittag seinen Beitrag zur Eröffnung der Ausstellung „Berlin 1933. Der Weg in die Diktatur“ in der Topographie des Terrors abgelesen. Und die gut 150 Zuschauer im Foyer, die anders als die geladenen Gäste erster Klasse nebenan im Auditorium den SPD-Politiker nur als Live-Übertragung verfolgten, reagierten äußerst verhalten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die nach Wowereit sprach, beziehungsweise las, bekam kaum Applaus. „Wie lange kommen Politiker mit dieser Rede zu diesem Thema noch an?“, fragte eine Zuhörerin.
Dabei handelte es sich um einen der wichtigsten deutschen Jahrestage: Am 30. Januar 1933 war Hitler zum Reichskanzler ernannt worden, also 80 Jahre zuvor, „fast auf die Stunde genau“, wie Merkel betonte. Aus diesem Anlass zeigt neben der Topographie auch das Deutsche Historische Museum seit dieser Woche eine Ausstellung zum Thema; Berlin leistet sich gar ein ganzes Themenjahr dazu.
Wowereits und Merkels Auftritte lassen sich angesichts dieser Bedeutung bestenfalls als routiniert beschreiben. Sie hangelten sich von Zitaten wichtiger Zeitzeugen und Historiker über geschichtliche Daten hin zu den für solche Jahrestage typischen Appellen: Merkel forderte Einsatz für Demokratie und Menschenrechte, Wowereit einen zweiten Anlauf für ein NPD-Verbotsverfahren. Das Ganze wirkte wie durchschnittliche Referate in der zehnten Klasse. Etwas Persönliches? Emotionen? Fehlanzeige. Wahrscheinlich gibt’s die Vorlage der Reden im Internet.
Dabei sollte die politische Elite dieses Landes bei diesem Thema und bei solch einem Anlass in der Lage sein, frei zu sprechen. Und damit zeigen, dass man selbst genug über dieses (wie es so oft betont wird) „dunkelste Kapitel“ der deutschen Geschichte und dessen Bedeutung für die Gegenwart weiß. Sonst sind alle wohlfeilen Appelle an Jugendliche, sich damit zu beschäftigen, genauso wertvoll wie der Hinweis: Das alles gibt’s auch als Gratis-Download. BERT SCHULZ