Herr F. findet den Aus-Schalter

WDR-Sportchef Heribert Faßbender geht im kommenden Jahr in Rente. Die vergangenen 42 Jahre hinterließen bei Zuhörern und Zuschauern einen bleibenden Eindruck: Mal verliert man, mal gewinnen die Anderen

Eines Vorweg: Die Jahrhundertreportage, den einsamen Höhepunkt der Faßbenderschen Fehlleistungen habe ich nicht live miterleben dürfen. Während die Nationalmannschaften von Deutschland und den Niederlanden bei der WM 1990 in Mailand um den Viertelfinaleinzug grätschen, schossen, spuckten, bewegte ich mich nördlich des Polarkreis, irgendwo in der schwedischen „Pampa“. Kein Radio, kein Telefon, nichts. Irgendwann traf ich auf einen verzweifelten Menschen, der versuchte, seine Gummistiefel aus dem „tiefen Geläuf“ des Moores zu ziehen. Nach Minuten des Zerrens und Fluchens waren die Treter endlich befreit. Der Kollege bedankte sich höflich: „Dank je well!“ – „Moment, Holländer“, dachte ich mir, jetzt wollte ich auch wissen, wer das Spiel gewonnen hatte. „Sorry, äh Voetbal, WM...“, fragte ich ihn. „You won, congratulations“, antwortete er, „aber Ihr Reporter...“. Er musste nicht weiter reden, ich wusste, wen er meinte. Wir genehmigten uns ein Bier im nächsten Camp und tranken auf Völler, Rijkaard, Koeman und Heribert Faßbender.

Heribert Faßbender, der Ausmister der ARD-Sportschau, wird im Oktober 2006 seine Tätigkeit als Fernseh-Sportchef des Westdeutschen Rundfunks (WDR) einstellen – aus Altersgründen heißt es. Nach 24 Jahren der verbalen Blutgrätschen, Fehlpässe und Abseitsstellungen: „Koeman. Der heißt schon so. Dem würde ich auch nicht über den Weg trauen“, schrie er im oben beschriebenen Achtelfinale, „tagsüber, wenn die Sonne scheint, ist es hier noch wärmer“, meldete er sich aus Teneriffa.

1963 ging Heribert Faßbender für das Dampfradio erstmals auf Sendung: erster Spieltag der neu gegründeten Fußball-Bundesliga. Faßbender saß in der Gelsenkirchener Glückauf-Kampfbahn und berichtete vom Spiel Schalke 04 gegen den VfB Stuttgart. Die Reportage wurde als siebenminütige Aufzeichnung zeitversetzt nachgereicht. Tatsächlich „Live“ auf Sendung war er dann 1974 beim WM-Finale Deutschland – Holland (2:1) in München. Später natürlich regelmäßig in der Bundesliga-Schlusskonferenz des WDR.

Der Wechsel zum Fernsehen kam im Jahr 1979. Für drei Jahre leitete er das Landesstudio des WDR, 1982 löste er Ernst Huberty bei der Sportschau ab. „Ausgerechnet“ (Schnellinger) Huberty war über eine Spesenabrechnung gestolpert. Seitdem hieß es samstags, nachdem die neue Atari-Sportschau-Melodie von Dieter Bohlen verklungen war: „N‘Abend allerseits“.

Faßbender holte in der Folge seine alten Radio-Kollegen in die Sportschau: den „bayerischen Sonderweg“ Gerd Rubenbauer, „Ruhrpott-Kalauer“ Werner Hansch oder das Huberty-Imitat Wilfried Mohren (siehe Spesen). Auch führte Faßbender den zwischenzeitlichen Co-Kommentator ins Fernsehen ein. „Ne, Kalle?!“ (Faßbender) Rummenigge durfte zwei Jahre lang seinen fußballdeutschen Chauvinismus öffentlich-rechtlich verbreiten. So wurde sogar die verdiente, wie blamable 0:2-Final-Niederlage gegen Dänemark bei der Fußball-EM 1992 dolchstoßmäßig umgedeutet: „Beide Tore regelwidrig – das muss man noch einmal betonen.“ Nö, Kalle!

„Sie sollten das Spiel nicht zu früh abschalten. Es kann noch schlimmer werden“, sagte Faßbender irgendwann mal. Der Satz könnte auch auf Faßbender-Nachfolger Steffen Simon gemünzt sein. Denn dort wo bei Faßbender immerhin noch ein Anflug von doppelbödiger Inkompetenz zu erkennen ist, wird die Ahnungslosigkeit bei Simon zum Programm. Autoritäres Gebrüll, auf der permanenten wie penetranten Suche für etwaige Fehlleistungen – jenseits des Mikros natürlich. HOLGER PAULER