piwik no script img

Archiv-Artikel

„Was abgeht, ist nicht normal“

Zweifelhafte Wege aus der Finanzkrise: Wie Kundenberater bei Banken mit unrealistischen Zielvorgaben unter Druck gesetzt werden

Von BW

BERLIN taz | Die Protokolle und Kommentare stammen von Beraterinnen und Beratern der Banken und Sparkassen. Gesammelt und anonymisiert hat sie die Gewerkschaft Ver.di für ihre Kampagne „Verkaufsdruck – nein danke“.

„Was im Moment abgeht, ist nicht mehr normal. Jeder Mitarbeiter muss mit dem Chef der zweiten Führungsebene ein Gespräch führen. Man wird angeschrien, schikaniert und es wird einem diplomierten BWLer jede Kompetenz abgesprochen, nur weil die Kunden das Vertrauen in die Banken verloren haben – das ist sicherlich nicht die Schuld der Berater. Da im Investmentbereich nichts mehr läuft, versucht man unter dem Deckmantel der ganzheitlichen Beratung Versicherungen zu ‚verticken‘.“

„Mittlerweile kommt neben dem Würgreiz morgens auf dem Weg zur Arbeit noch jede Menge Angst, Zweifel und Hass auf. Jeder ‚Banker‘ weiß, dass man eine Zielerreichung von 100 Prozent, selbst 80 Prozent, nur dann schafft, wenn man dem Kunden Anlagen andreht, die er nicht braucht bzw. die er gar nicht haben will… Ich weiß nicht, wie lange ich die Kunden noch verarschen kann, um 100 Prozent zu erreichen und meinen Arbeitsplatz zu sichern… In Filialen, wo guter Teamgeist herrschte, geht es immer mehr in die Richtung eigenes Überleben. Es wird alles versucht, das Geschäft, die Provision selbst einzuheimsen. Für den Kollegen, die Kollegin wird nicht mehr mitgearbeitet.“

„Ich bin Private-Banking-Berater in einer deutschen Großbank, welche zu einer italienischen Bankengruppe gehört. Um die gesetzten Ziele zu erreichen, werden vor allem jungen, unerfahrenen Beratern wichtige Informationen zu verschiedenen Anlageprodukten verschwiegen. Risiken werden in Schulungen heruntergespielt oder schlichtweg ignoriert… Es werden gezielt nur die hochmargigen Produkte angegangen wie Sachwerte, bei denen zum Teil Provisionen von bis zu 14 Prozent der Anlagesumme an die Bank gezahlt werden. Risikoeinstufungen des Kunden soll man ihm ausreden und relativieren. So wird ein geschlossener Sachwertfonds mit einer Laufzeit von 20 Jahren jedem Kunden angeboten, egal, ob dieser sein Geld so lange anlegen kann oder nicht. Sollte der Kunde fragen, ob er den Fonds denn schnell verkaufen kann, soll man sagen, dass dies über den Zweitmarkt kein Problem sei. Es soll nicht die eingeschränkte Handelbarkeit erwähnt werden.“

„In unserer Kreissparkasse möchte die Zweigstellenleiterin ständig bei Kundengesprächen dabeisitzen und macht sich dann Notizen. Nach dem Gespräch wird man dann in ihrem Büro auseinandergenommen, warum man nicht dieses und jenes verkauft habe… Wenn sich meine Zahlen nicht bald massiv bessern, meint meine Chefin, dass sie mich ‚abschießen‘ wird.“

„Ich arbeite seit 27 Jahren in einer Genossenschaftsbank. wir haben keinen Betriebsrat – das ist nicht erwünscht! –, obwohl das bei 350 Angestellten sicher eine gute Sache wär. Mitarbeiter, die nicht ‚spuren‘, werden von einem Tag auf den anderen in eine weit entfernte Zweigstelle versetzt, und das dann zwei- bis dreimal im Jahr.“ BW