SVEN HANSEN ÜBER DIE GEWALT IN AFGHANISCHEN GEFÄNGNISSEN : Das Foltern geht weiter
Rund die Hälfte der mehr als 23.000 Insassen afghanischer Gefängnisse und Verhörzentren des Geheimdienstes wird gefoltert und misshandelt. Eine von der Regierung in Kabul eingesetzte und keineswegs unabhängige Kommission hat jetzt in einer zweiwöchigen Untersuchung die Studie der Vereinten Nationen in ihrer Hauptaussage bestätigt. Es ist zweifellos gut, dass die afghanische Regierung den Gewaltexzess jetzt offiziell einräumt und sich dortige Sicherheitskräfte nicht mehr mit Verschwörungstheorien herausreden können.
Doch was folgt daraus? Bisher leider nichts, und es ist zu befürchten, dass es so bleibt. Auf einen ähnlichen UN-Bericht vom Oktober 2011 hatte Kabul mit unverbindlichen Schulungen und neuen Regeln reagiert. Beide haben nichts gebracht, wie der zweite UN-Bericht vom Januar 2013 attestiert. Denn der konnte keinen Rückgang der Folter erkennen. Es fehlte ein klarer Wille und die Bereitschaft, die für Folter und Misshandlungen Verantwortlichen vor Gericht zu stellen und zu bestrafen. Bisher wurde nur gegen wenige mutmaßliche Verantwortliche ermittelt und niemand verurteilt. Nur wer Strafen befürchten muss, wird vom Foltern abzubringen sein. Bisher war das Foltern im afghanischen Sicherheitsapparat kein Karrierehindernis. Im Gegenteil.
Diese Straflosigkeit wird letztlich auch von der Isaf-Truppe und der internationalen Gemeinschaft gedeckt, denn die will jetzt möglichst schnell aus Afghanistan raus und dort keine Verantwortung mehr übernehmen. Wenn Afghanen Afghanen foltern, soll das bald allein deren Sache sein, UN-Berichte hin oder her.
Oder ist eine Regierung bereit, Kabul mit dem Entzug von Hilfe oder gar einem internationalen Tribunal zu drohen? Ganz abgesehen davon, waren die Menschenrechte schon für das US-Militär am Hindukusch zweitrangig.
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