„Rüttgers ist der good guy, die FDP bad guy“

Der Münsteraner Politikwissenschaftler Klaus Schubert über das landespolitische Desinteresse der designierten Kanzlerin, die kleine Revolution von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Bayern als Vorbild für NRW

taz: Was bringt es NRW, wenn Merkel Kanzlerin wird?Klaus Schubert: Wenn man bedenkt, dass Jürgen Rüttgers mit seinem NRW-Wahlsieg im Mai erst das Tor für eine Kanzlerin Angela Merkel aufgestoßen hat, relativ wenig. Die CDU-NRW wurde ja bei der Kabinettsbesetzung übergegangen. Das musste Rüttgers als Brüskierung auffassen.

Merkel kommt aus dem Osten, SPD-Chef Platzeck auch. Spielt NRW keine Rolle mehr?Im Bewusstsein dieser beiden Parteivorsitzenden ist Politik in erster Linie Bundespolitik. Der Bezugspunkt für Merkel und Platzeck ist Berlin. Die Länder-ebene dürfte bei einer Kanzlerin Merkel – die ja über keine eigene landespolitische Hausmacht verfügt – weniger wichtig sein als bei anderen CDU-Kanzlern. Hinzu kommt, dass Jürgen Rüttgers zwar das größteBundesland regiert, nicht aber zu den führenden CDU-Köpfen wie Wulff, Koch oder Müller zählt. Sogar Ole von Beust wird da häufiger genannt.

Was muss Rüttgers tun, um NRW Gewicht zu verschaffen?Naja, er hat ja schon diesen Brief an die designierten SPD-Minister geschrieben, sie sollten die Interessen unseres Landes im Auge behalten. Das war nach der Brüskierung durch Merkel eine kleine Revolution von Rüttgers, ein völlig ungewöhnlicher Schritt. Rüttgers weiß, er braucht die SPD-Minister Müntefering, Steinbrück und Ulla Schmidt als NRW-Lobbyisten in Berlin.

Kann NRW von der Föderalismusreform profitieren?Ein Wettbewerbsföderalismus, wie er nun offenbar angestrebt wird, bringt auch Probleme für das Land mit sich. In der Bildungspolitik muss NRW alles daran setzen, um nicht noch weiter ins Hintertreffen geraten. Das betrifft nicht nur die Schulen, sondern auch die Hochschulen. Ganz allgemein, für die Beziehung zwischen Bund und Land, scheint sich Rüttgers da Bayern als Vorbild genommen zu haben. Dieses ehemals wirtschaftlich schwache Agrarland hat sich ja nicht zuletzt mit jahrzehntelangen Finanzhilfen des Bundes in den letzten Jahrzehnten nach vorn entwickelt. Vielleicht werden die CDU-NRW und die Landesregierung jetzt ähnlich wie die bayerische CSU – in der Sache völlig egoistisch – Unterstützung des Bundes organisieren. Ministerpräsident Rüttgers könnte das ja in einer Mischung aus Nachahmung und Kooperation mit CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber machen.

Was macht Rüttgers mit dem Koalitionspartner FDP, der Gesetze der großen Koalition im Bundesrat stoppen will?Die dissidente FDP könnte für Rüttgers sogar von Nutzen sein. Da scheint sich zwischen der CDU und der FDP in der Landesregierung eine Rollenverteilung abzuzeichnen: Rüttgers verhält sich gegenüber der großen Koalition als good guy, die FDP ist der bad guy. Der eine zeigt sich kompromissbereit, der andere droht mit Nein-Stimmen im Bundesrat. So kann NRW seine Interessen möglicherweise sehr wirkungsvoll bei der Gesetzgebung des Bundes zur Geltung bringen.

Steht Rüttgers also zwischen der großen Koalition und den FDP-Neoliberalen?Der Ministerpräsident muss diesem Land und seiner Politik ein Profil geben. So wie die CSU mit ihrem Slogan „Laptop und Lederhose“ benötigt die CDU für ihre Regierungsarbeit in Düsseldorf eine Strategie, die man wohl am ehesten im Konzept des „Rheinischen Kapitalismus“ finden wird: wirtschaftliche Innovation und sozialer Ausgleich.

Welche Koalition hält länger? Die große Koalition in Berlin oder Schwarz-Gelb in NRW?Das ist schwierig. Ich denke, dass es in NRW für die CDU keine Alternative zu Schwarz-Gelb gibt. Das hält bis 2010. Bei der großen Koalition ist die Gefahr größer, dass es nach zwei Jahren knallt und Neuwahlen kommen.

INTERVIEW: MARTIN TEIGELER