: Asylbewerber in Hamburg zum Amtsarzt
„Einen Probelauf soll es geben“, sagt der Sprecher von Innensenator Röwekamp: Bremer Asylbewerber sollen im Zweifelsfall ihre „Reisefähigkeit“ nicht mehr vom Bremer Gesundheitsamt begutachten lassen, sondern vom Hamburger Amtsarzt
Bremen taz ■ Eine Notiz im Spiegel sorgt in Bremen für viel Wirbel: Bremens Innensenator, so heißt es, wolle auf die Dienste des Bremer Gesundheitsamtes verzichten, wenn es um die Begutachtung der Reisefähigkeit von abzuschiebenden Asylbewerbern geht. Er beabsichtige, „den ärztlichen Dienst in Hamburg auch für die Begutachtung bremischer Fälle zu nutzen.“ Ziel der Operation sei es, „die Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer zu erleichtern.“
Der für das Bremer Gesundheitsamt zuständige Staatsrat Arnold Knigge, der einen entsprechenden Brief seines Kollegen vom Innenressort bekommen hat, protestierte postwendend. Vor allem wehrte er sich gegen den „impliziten Vorwurf“, das Gesundheitsamt würde nicht korrekte Gutachten erstellen. „Es liegt kein einziger konkreter Fall vor“, sagt Knigge, in dem das Innenressort die Gutachten seiner Ärzte angezweifelt habe. Aber gleichzeitig ist auch klar: es geht um einen politischen Streit. Der Innensenator ist nicht verpflichtet, die Reisefähigkeitsgutachten vom Bremer Gesundheitsamt erstellen zu lassen. Im Zweifelsfall, räumt Knigge ein, würde er es aus der Zeitung erfahren, dass der erste Asylbewerber nach Hamburg zum Amtsarzt musste.
Soweit sei man noch nicht, sagt Günter Beyer, der Sprecher des Bremer Innensenators. Und den Verdacht, hier gehe es um Gefälligkeitsgutachten durch Hamburger Amtsärzte, weist er zurück: Es sei zwischen den beiden Senatoren einfach allgemein über die Möglichkeiten der Kooperation der beiden Bundesländer gesprochen worden, und dabei sei dieser Bereich benannt worden. Mehr nicht. Ob hier wie auf anderen Feldern der Länder- Zusammenarbeit Geld gespart werden könne, sei offen. Überhaupt sei die Sache nicht spruchreif. Klar sei nur, „dass es einen Probelauf geben soll“.
Bei der Hamburger Ausländerbehörde weiß man, dass Bremens Innensenator den Hamburger Kollegen gefragt hat, ob der ihm nicht „helfen“ könne bei dem Problem der Reisefähigkeitsgutachten. Ob die beiden Hamburger Amtsärztinnen, die dafür zuständig sind, überhaupt freie Kapazität haben, um sich mit Bremer Asylbewerber-Fällen zu befassen, sei nicht klar – so konkret sei die Angelegenheit noch nicht. Vielleicht gehe es auch darum, dass Hamburg den Bremern erklären soll, wie sie das Feld organisiert haben. Nicht die Gesundheitsämter erstellen in Hamburg die Gutachten, sondern besondere Ärzte des Innensenators. Im Zweifelsfall werden Fachärzte auf Honorarbasis beauftragt, erklärt der Sprecher der Ausländerbehörde. Oder die beiden Amtsärztinnen untersuchen selbst in den Diensträumen des Einwohner-Zentralamtes.
In dem Musterschreiben, das Abzuschiebende bekommen, wird der Zweck der Untersuchung klar benannt: „Die Durchführung einer ärztlichen Untersuchung zur Feststellung ihrer Reisefähigkeit ist im Hinblick auf die Durchsetzung Ihrer Ausreisepflicht nunmehr erforderlich.“ Zehnmal kommt in dem doppelseitigen Behördenbrief das Wort Zwang vor: „zwangsweise durchgesetzt“, „zwangsweise vorgeführt“, „unmittelbarer Zwang“. Offenbar soll sich keiner der Adressaten Illusionen darüber machen, worum es geht.
Klaus Wolschner