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Archiv-Artikel

Hamburg macht Dampf

Der Hamburger Senat redet Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Frage des Bahn-Umzuges ins Gewissen: Hier entscheide sich die wirtschaftspolitische Glaubwürdigkeit der neuen Bundesregierung

von Gernot Knödler

Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat den gewünschten Umzug der Bahn-Zentrale von Berlin nach Hamburg gestern zum Test für die Glaubwürdigkeit der neuen Bundesregierung erklärt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei mit dem Anspruch angetreten, Deutschland wirtschaftlich nach vorne zu bringen. Einen Umzug der Bahn-Zentrale von der Spree an die Elbe aus politischen Gründen wider die ökonomische Vernunft zu verhindern, wäre damit nicht vereinbar. „Staatliche Intervention ist das falsche Mittel, wirtschaftliches Wachstum zu generieren“, mahnte von Beust.

Von Beust reagierte auf eine Äußerung von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, der gestern verkündet hatte, das Bundeskabinett halte den avisierten Umzug aus strukturpolitischen Gründen für nicht akzeptabel. Eine Beteiligung der Deutschen Bahn an der Hamburger Hochbahn (HHA) und der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) wäre aber positiv. Beide gehören der Stadt. Der Senat will Teile davon nur verkaufen, wenn die Bahn ihren Konzernsitz nach Hamburg verlegt.

Bürgermeister von Beust trug unter Berufung auf die Staatsministerin im Kanzleramt, Hildegard Müller, seine eigene Interpretation des Ergebnisses der Kabinettssitzung vor. Demnach sei das Kabinett noch dabei, die juristische, politische und ökonomische Dimension des Umzuges zu erörtern. Rechtlich sei der Einfluss der Bundesregierung auf die Bahn gering. Aus politischer Sicht werde der Standort Berlin bevorzugt. Entscheiden werde das Kabinett erst, wenn die betriebs- und volkswirtschaftlichen Effekte geschätzt seien.

Wirtschaftlich ist der Fall aus Hamburger Sicht klar: „Wir wissen, dass die Kapitalmärkte kritisch prüfen, ob die Bahn privatisierungsfähig ist“, sagte Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU). Dazu müsse die Bahn profitabler werden, wozu eine Beteiligung an Hochbahn und HHLA, sprich: „Hala“, beitragen würde.

Die Hochbahn, die die Hamburger U-Bahnen, Hafenfähren und einen Teil des Busnetzes betreibt, gilt mit einem Kostendeckungsgrad von 83 Prozent als Primus der Branche und harter Konkurrent der Bahn. Die HHLA schlägt zwei Drittel der Container im Hamburger Hafen um. Mit Hilfe dreier Tochtergesellschaften, an denen die Bahn über ihre Tochter Stinnes beteiligt ist, transportiert sie die Kisten weiter nach Osteuropa. Das Unternehmen wächst stürmisch und erwartet in diesem Jahr einen Umsatz von 800 Millionen Euro und einen Erlös von 40 Millionen. Umgekehrt würde es ein Einstieg der Bahn bei der Hochbahn aus Sicht des Senats erlauben, aus dem beginnenden Konkurrenzkampf im Nahverkehr als ein großer Mitspieler hervorzugehen. Bei der HHLA soll die Bahn die schwache Eigenkapitalbasis verstärken und Milliarden-Investitionen ermöglichen. Peiner: „Wir haben die Chance, aus der Bahn – ähnlich wie bei der Lufthansa oder der Telekom – einen internationalen Mobilitätskonzern zu machen.“ Dieser müsse seinen Sitz in Hamburg haben, andernfalls werde nichts aus dem Geschäft. Schließlich gebe es noch andere Bewerber. Nach der Firma Connex hat gestern auch die Essener Verkehrsgesellschaft Abellio verlangt, die Hamburger Anteile an der Hochbahn müssten über ein Vergabeverfahren verkauft werden.

siehe auch Seite 8