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Kopfloses Guinea findet keinen Weg aus der Krise

GUINEA General Konaté übernimmt die Macht von Juntachef Dadis, aber es soll niemand wissen

Niemand traut sich, offiziell die Macht zu übernehmen, solange Dadis nicht tot ist

BERLIN taz | Das westafrikanische Guinea hat möglicherweise wieder einen Präsidenten. General Sékouba Konaté, Verteidigungsminister der herrschenden Militärjunta und seit fünf Wochen Vertreter des schwerverletzten Juntachefs Moussa Dadis Camara, ist am Dienstagabend von einem einwöchigen Besuch bei Dadis an dessen Krankenbett in Marokko zurückgekehrt. Nach der Landung in Guineas Hauptstadt Conakry trat er erstmals wie ein Chef auf: Er schritt eine Ehrengarde ab und bezog dann Quartier in Guineas wichtigster Armeekaserne Alpha Yaya, die er bisher dem für seine Brutalität gefürchteten General Claude Pivi überlassen hatte. Allerdings gab er immer noch keine Erklärung ab, aus der hervorgehen würde, dass er Staatschef ist.

Guinea durchlebt einen schier endlosen Staatszerfall, seit Langzeitdiktator Lansana Conté am 23. Dezember 2008 nach 23 Jahren an der Macht starb. Conté hatte Guinea politisch und ökonomisch heruntergewirtschaftet; außer der Armee, geführt von Conté, hatte am Schluss niemand mehr etwas zu sagen. Nach seinem Tod ergriff eine Militärjuta CNDD (Nationalkongress für Demokratie und Entwicklung) unter Kapitän Moussa Dadis Camara die Macht und versprach Demokratie. Im Laufe der Monate aber entwickelte sich Dadis zu einem unberechenbaren Diktator. Eine Großdemonstration der Opposition wurde am 28. September 2009 von Armee und Präsidialgarde blutig zerschlagen, mit mindestens 158 Toten. Bei einem nächtlichen Streit schließlich wurde Dadis in der Nacht zum 4. Dezember vom Chef der Präsidialgarde, General Toumba Diakité, in den Kopf geschossen. Seitdem liegt er in Marokko, nach Aussagen von Besuchern kaum zurechnungsfähig, und Guinea ist führungslos, denn niemand traut sich, offiziell die Macht zu übernehmen, solange Dadis nicht offiziell tot ist.

Es ist derzeit auch nicht sonderlich attraktiv, Guinea zu regieren. UNO, EU, USA, Afrikanische Union (AU) und Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) haben Sanktionen gegen Guineas Junta verhängt. Eine UN-Untersuchungskommission, die das Massaker vom 28. September untersucht hat, sprach in ihrem kurz vor Weihnachten vorgelegten Bericht von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, für die mehrere Generäle „persönlich strafrechtlich verantwortlich“ seien. Empfohlen wurde eine Überweisung des Falles an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Wer auch immer Guinea jetzt regiert, müsste also bereit sein, Generäle zu verhaften und auszuliefern.

Das ist lebensgefährlich, und das weiß auch Interimspräsident Konaté. Er hat sich bis heute nicht als Präsident zu Wort gemeldet, sondern nur Reden vor Soldaten gehalten, in denen er vor allem die Notwendigkeit von Einigkeit und Disziplin innerhalb der Streitkräfte betont. Der einstige Protégé des früheren Diktators Conté muss jetzt vor allem mit dem mächtigen Kollegen Pivi und dem untergetauchten Dadis-Attentäter Toumba klarkommen. Angeblich rekrutieren Generäle bereits ethnische Milizen, es hat Tötungen und Verhaftungen innerhalb des Militärs gegeben, private südafrikanische und israelische Militärausbilder sind im Land und UN-Vertreter warnen vor Bürgerkrieg wie im benachbarten Liberia in den 1990er-Jahren.

Angesichts dieser Gefahr ist nun Westafrika gefragt, das in den vergangenen Monaten zwischen Junta und ziviler Opposition in Guinea vermittelte. Die letzten Verhandlungen in Burkina Faso scheiterten daran, dass die Junta eine Übergangsregierung nur unter eigener Führung wollte, die Opposition aber nur ohne Militärs. Nun wird über die Entsendung einer Schutztruppe nachgedacht. DOMINIC JOHNSON

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