STEFAN REINECKE ÜBER DAS NPD-VERBOTSVERFAHREN
: Lob des Parteienstreits

Der Wahlkampf hat begonnen. Anders kann man das Agieren in Sachen NPD-Verbotsverfahren nicht verstehen. Die FDP wirft sich als eiserne Verteidigerin rechtsstaatlicher Normen in eine Pose. Angela Merkel weiß wie immer nicht so genau, die SPD wirft ihr dies, wie immer, vor. Die CSU ist im Zweifel sowieso immer für Verbote, die Grünen sind gespalten. Der Bundesrat wird einen Antrag stellen, der Bundestag vielleicht auch, die Regierung nicht.

Doch das ist kein Grund für antiparlamentarisches Lamento. Denn die Sache ist kompliziert, die Erfolgsaussichten des Verfahrens sind in Karlsruhe und vor allem vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eher bescheiden. Da einen Block aller Demokraten zu fordern, der entschlossen das Verbotsverfahren vorantreibt, verrät autoritäres Denken und verbirgt eigene Verunsicherung. Das Abwägende, Streitbare ist fundamental für die Demokratie. Die Idee, dass es angesichts einer finanziell ruinierten 1-Prozent-Partei heiligen Ernstes bedarf, eines Kreuzzugs gen Karlsruhe, ist Politkitsch.

Bedenklich ist, was der sachsen-anhaltische CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff fordert: Selbst wenn ein Verbotsantrag scheitert, solle man daran auf Biegen und Brechen festhalten. Das Verfahren sei ein Wert an sich. Wie bitte? Natürlich wäre es eine Blamage, wenn das Bundesverfassungsgericht zum zweiten Mal nach 2003 einen NPD-Verbotsantrag ablehnen würde. Das wäre Munition für die Nazis. Was sich bei Haseloff andeutet, erinnert daran, wie blindlings und kritikresistent die Mehrheit 2003 in die Falle lief. Was auch immer gegen einen Verbotsantrag spricht, wird einfach rosarot angepinselt. Alle sollen mitmachen – selbst wenn der Schaden absehbar ist. Das ist kein Ausweis demokratischen Selbstbewusstseins. Sondern unklug.

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