: „Schäuble war einfach ehrlich“
Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz hat an der Haltung von Innenminister Schäuble zum Umgang mit erfolterten Geheimdienstinformationen nichts auszusetzen. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht heuchlerisch oder naiv werden“
taz: Herr Wiefelspütz, deutsche Beamte haben im Ausland Internierte verhört. Und der Bundesinnenminister sagt freimütig: ‚Natürlich verwenden wir die Informationen der Folterer.‘ Reißen jetzt alle rechtsstaatlichen Barrieren?
Dieter Wiefelspütz: Nein, hoffentlich nicht. So verstörend viele dieser Meldungen sind, so froh bin ich, dass wir diese Debatte endlich führen. Wir müssen klären, was geht und was nicht geht.
Geht Guantánamo?
Guantánamo ist kontaminiert. Da würde von unseren Leuten niemand mehr hinfahren, um zu verhören. Guantánamo steht für alles, was nicht in Ordnung ist. Die dorthin Verbrachten wissen nicht, wo sie sich befinden, ihre Angehörigen wissen wiederum nicht, wo sie sind. Es gibt keine formelle Anklage, keinen Verteidiger, nicht mal Richter. Das können wir nicht hinnehmen.
Und ein Verhör in Damaskus ist entschuldbar?
Dieser Fall hatte einen anderen Kontext. Das war unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. 9. 2001. Die Hauptattentäter hatten sich hier in Deutschland auf die Anschläge vorbereitet. Und plötzlich hatte man die Chance, einen von denen anzuhören, der selbst in Deutschland gewesen ist. Da mussten wir ran.
Ist die SPD dafür, solche Verhöre zu wiederholen?
Jeder muss sich seine eigene Meinung bilden. Ich finde: Syrien kann man vertreten, das durfte man damals.
Darf man Informationen verwenden, die unter Folter aus Internierten herausgepresst wurden? Schäuble sagt ja.
Ich sehe nicht, dass Schäuble das so gesagt hat. Schäuble war aber einfach ehrlich. Er hat angesprochen, was bislang keiner gewagt hat. Wenn Sie eine Geheimdienstinformation kriegen, dann steht doch da nicht drauf: ‚Ist durch Folter ermittelt worden!‘ Wir müssen aufpassen, dass wir nicht heuchlerisch oder naiv werden.
Was kann man mit solchen Informationen anfangen. Einen Krieg beginnen – und dann stellt sich heraus, der „Informant“ hat gelogen?
Es wäre aber auch falsch, so etwas rundweg abzulehnen. Die Fachleute aus den Diensten müssen sich die Erkenntnisse anschauen und ihre Schlüsse daraus ziehen. Zum Beispiel für die Gefahrenabwehr. Stellen Sie sich mal vor, man ignoriert eine wichtige Information – und dann passiert tatsächlich etwas Grauenhaftes! Der Innenminister und die Repräsentanten des Staates haben eine Schutzpflicht gegenüber den Bürgern.
Wo verläuft die rote Linie?
Nicht erst beim Foltern. Sie dürfen Gefangenen nicht anspucken oder im Verhör demütigen. Die Würde des Menschen ist immer zu wahren – auch in Guantánamo. Wir dürfen uns mit solchen Verhörmethoden weder gemein machen noch sie augenzwinkernd hinnehmen.
Tut das der Innenminister etwa nicht, wenn er erfolterten Informationen öffentlich die Unbedenklichkeit ausstellt?
Nicht notwendigerweise. Denn seine eigentliche Botschaft war doch eine andere. Schäuble hat sich ganz eindeutig gegen Folter ausgesprochen. Das ist gar nicht mehr so selbstverständlich. Sie finden leider an den Universitäten die Debatte über die Zulässigkeit der Folter. Und in Polizeipräsidien.
Sie sprechen von einer wichtigen Debatte. Für die Bürger aber wäre es hilfreich zu wissen, ob man sie künftig einfach abholen und wegsperren kann. So wie es dem deutschen Staatsbürger Khaled al-Masri geschehen ist.
Das ist das Thema, das wir alle diskutieren müssen. Das, was al-Masri passiert ist, ist schweres Unrecht, das darf sich auf keinen Fall wiederholen. Wenn dieses Unrecht schon nicht ungeschehen gemacht werden kann, so haben wir doch die Pflicht, dem Opfer dabei zu helfen, dass ihm Genugtuung widerfährt. Die amerikanische Seite hat hier eine große Verantwortung. Darüber müssen wir Bürger uns klar werden, indem wir es in den Medien, in den Schulen und Universitäten diskutieren.
Braucht es nicht auch gesetzliche Konsequenzen?
Der Rechtsstaat existiert, wir müssen ihn nicht neu erfinden. Wir dürfen nur nicht selbstgerecht werden. Der Rechtsstaat liefert uns klare Maßstäbe im Kampf gegen den Terrorismus. Es gibt immer Grenzbereiche, in denen abgewogen werden muss. Auch im Kampf gegen den Terror heiligt der Zweck nicht alle Mittel.
INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER