SVEN HANSEN ÜBER DEN NORDKOREANISCHEN INDUSTRIEPARK KAESONG
: Die Regimestabilität geht vor

Es ist nicht das erste Mal, dass Nordkorea ein Projekt mit dem Süden zum eigenen Schaden beendet

Solange Nordkorea nicht handelte, konnte Pjöngjangs atomares Getöse leicht ignoriert werden. Dafür sprach auch der Fortbetrieb des nördlichen Industrieparks Kaesong an der Grenze zum Süden. In diesem Rest einstiger Entspannungspolitik produzieren NordkoreanerInnen für südkoreanische Firmen. Das Projekt überstand schon manche Krise, die Fabriken dort standen fast nie still.

Doch vor einer Woche ließ der Norden plötzlich keine Manager mehr herein, die aus dem Süden pendeln. Das gefährdet nicht nur das Projekt, sondern schadet Nordkorea auch wirtschaftlich. Doch kommt der Industriepark zweifellos auch einige Tage mit weniger südlichen Managern aus, sodass dies noch abgetan werden konnte. Doch seit Montag verbietet Pjöngjang dort den 53.000 nördlichen Arbeitern die Produktion. Damit könnten die Tage des Projekts gezählt sein.

So abwegig Nordkoreas Verhalten auf den ersten Blick scheint, so dürfte doch Kalkül dahinterstecken. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Nordkorea ein Wirtschaftsprojekt mit dem Süden zum eigenen finanziellen Schaden beendet. 2008 wurde das Tourismusprojekt Kumgang-san geschlossen, das für den Norden noch lukrativer und politisch weniger brisant als Kaesong war. Damals ging es um Souveränitäts- und Prestigefragen in einem Streit mit Südkoreas konfrontativem Präsidenten Lee Myung-bak.

Der jetzt mögliche Abschied von Kaesong könnte heißen, dass das nördliche Regime das Projekt als stabilitätsgefährdend wertet. Denn erstmals lernen Nordkoreaner dort eine andere Realität als die ihres Regimes kennen, was dieses herausfordert. Angesichts wachsender Kooperation mit chinesischen Firmen und Pekings geringer Bereitschaft, Druck auf Pjöngjang auszuüben, hat Nordkorea aus seiner Sicht womöglich bessere Alternativen zu Kaesong.

Ausland SEITE 10