NIEDERSACHSEN: FUSSFESSELN, WENN ISLAMISTISCHE GEWALT DROHT
: Potenziell rechtlos

Die Anregung des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann, potenzielle islamistische Gewalttäter mittels einer elektronischen Fußfessel überwachen zu lassen, könnte durchaus in deren Interesse liegen – immerhin wären sie dann vor Entführungen durch die CIA geschützt. Zynisch? Die Versuchung ist groß, den Vorschlag gar nicht erst ernst zu nehmen. Sarkasmus ist ein erprobter Schutzmechanismus gegen vieles, was man einfach nicht glauben möchte. Und man möchte nicht gerne glauben, dass ein leibhaftiger Minister einen solch gefährlichen Unfug daherredet.

Gefährlich nicht etwa für Terroristen, sondern für den Rechtsstaat. Ein potenzieller Gewalttäter ist kein Gewalttäter, und Gewaltbereitschaft ist nicht dasselbe wie Gewaltanwendung. Ein potenzieller Gattenmörder kann nicht eingesperrt werden. Ganz egal, wie verlockend er es finden mag, seine Vorstellungen zu verwirklichen: Solange er es nicht tut und auch niemanden sonst dazu veranlasst, bleibt er unbehelligt. Anstiftung zum Verbrechen ist hingegen strafbar, ebenso wie Volksverhetzung. Der Rechtsstaat hat also durchaus Möglichkeiten, sich gegen „Hassprediger“ zu wehren, ohne Grundsätze über Bord zu werfen, die ihn von einem Unrechtsregime unterscheiden. Als da wären, neben anderen: Gleiches Recht für alle. Eine Gesinnungsprüfung findet nicht statt.

Schünemann möchte nur das Ausländerrecht um eine Fußfessel-Klausel ergänzen. Deutsche Islamisten müssen also keine Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit fürchten. Aber was schwebt dem Minister konkret für radikale Ausländer vor, bei denen ein Abschiebehindernis besteht? Sollen sie am Gang in die Moschee gehindert werden – mithin an ihrem Recht auf freie Religionsausübung? Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof dürften begeistert sein.

Die niedersächsische FDP hat den Vorschlag von Schünemann als populistisch bezeichnet. Das ist erfreulich. Noch erfreulicher wäre es, wenn sich nicht nur der kleine Koalitionspartner, sondern auch Ministerpräsident Christian Wulff von diesem Innenminister distanzierte. BETTINA GAUS