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Archiv-Artikel

Mitleid vom Gegner

TALFAHRT Der SV Werder Bremen ist nach dem 0:3 gegen den VfL Wolfsburg endgültig im Abstiegskampf angelangt. Trainer Thomas Schaaf wirkt ratlos und genießt dennoch die Rückendeckung der Vereinsführung

„Wenn ich hier ein Problem sein sollte, dann trete ich gern zur Seite“

WERDER-COACH THOMAS SCHAAF

AUS BREMEN SVEN BREMER

Zumindest bei den Wolfsburgern mit Bremer Vergangenheit kam so etwas wie Mitgefühl auf. Nach dem 3:0-Erfolg des VfL bei Werder Bremen am Samstagabend tätschelten Diego und Naldo beinahe zärtlich die hängenden Köpfe ihrer Exkollegen. Und Klaus Allofs, bekanntlich lange Jahre Werder-Manager und jetzt Sportchef in Wolfsburg, erklärte: „Wenn man die Stimmung hier erlebt, dann lässt mich das nicht gerade durch die Decke hüpfen.“ Gelitten haben wohl auch einige Marketing-Experten des Automobilherstellers, der als Kosponsor einiges an Geld in den Konkurrenten an der Weser pumpt. Für diverse Imagefilmchen des VW-Konzerns haben sie den Werder-Profis einen Text ins Drehbuch geschrieben, der da lautet: „Werder Bremen und Volkswagen, Leidenschaft, die bewegt.“

Von Leidenschaft kann wahrlich nicht die Rede sein: Werder präsentierte sich vollkommen verunsichert, geradezu leblos und machte die gleichen Fehler wie schon in den vergangenen acht sieglosen Spielen. Und wenn die Mannschaft weiterhin so schlecht spielt, dann bewegt sich der einstige Spitzenklub unaufhaltsam in Richtung 2. Liga. Doch selbst wenn Augsburg, Hoffenheim oder Düsseldorf noch weniger Punkte holen, stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll an der Weser? Immerhin, die Zeit der Ausreden ist vorbei. Clemens Fritz nannte die Leistung gegen den VfL Wolfsburg „beschämend“, Zlatko Junuzovic fand sie „desaströs“, und Trainer Thomas Schaaf war „maßlos enttäuscht“ und „stinkesauer“.

Die Mitleidsbekundungen von Klaus Allofs werden vielen Bremer Fans sauer aufstoßen, haben sie in ihm doch inzwischen den Mit-, wenn nicht sogar den Hauptverantwortlichen für die sportliche Talfahrt ausgemacht. Man kann sich nur verneigen vor dem, was Allofs einst in Bremen aufgebaut hat. Aber in den beiden letzten Jahren vor seinem Wechsel lag er zumeist daneben mit seinen Personalentscheidungen. Statt Micoud, Diego und Özil holte er unter anderem Denni Avdic, Joseph Akpala und Assani Lukimya.

Doch die Bremer Anhänger diskutieren auch, und das nicht erst seit Samstag, ob Schaaf noch der Richtige ist – zumal auch er an den Personalentscheidungen beteiligt war. Der Coach wirkt ratlos. Woche für Woche wiederholt er gebetsmühlenartig nichts als Durchhalteparolen. Was er der Mannschaft in den Sitzungen erzählt, dringt nicht an die Öffentlichkeit. Und so kann man nur darüber spekulieren, ob Thomas Schaaf nicht die richtigen Worte findet oder aber ob seine Spieler einfach nicht umsetzen können, was er ihnen mit auf den Weg gibt.

Am Samstag sagte Schaaf: „Wenn ich hier ein Problem sein sollte, dann trete ich gern zur Seite.“ Entscheiden muss das die Geschäftsführung mit dem Allofs-Nachfolger Thomas Eichin, Klaus Filbry und Klaus-Dieter Fischer in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat, an dessen Spitze Willi Lemke steht. Die starken Männer bei Werder sind Lemke und Fischer. Von ihnen hat Schaaf nichts zu befürchten. Fischer sah dem Talent Schaaf schon in der C-Jugend beim Kicken zu, Lemke machte die ersten Verträge mit dem Jungprofi Schaaf und vor fast genau 14 Jahren mit dem Trainernovizen Schaaf.

Auch Eichin stärkt dem Trainer den Rücken. Schaaf sei keine „heilige Kuh“, man halte an ihm fest, weil man von seiner Arbeit überzeugt sei. Samstag sprang er noch einmal für seinen leitenden Angestellten in die Bresche und erklärte: „Wenn alle so leidenschaftlich arbeiten würden wie Thomas Schaaf, dann stünden wir nicht da unten. Der Trainer ist jetzt nicht das Thema.“

Ein Trainerwechsel ist kein Allheilmittel, und Werders Loyalität Schaaf gegenüber galt jahrelang als positives Beispiel. Aber es ist längst keine Einschätzung mehr, sondern eine Tatsache, dass der Trainer dem Team keine positiven Impulse mehr gibt. Ein Bundesligatrainer ist zudem nicht nur Fußballlehrer, sondern gerade in Krisenzeiten auch als Psychologe gefragt. Wer die Werder-Spieler am Samstag gesehen hat, kann nur zu dem Schluss kommen, dass Schaafs Anstrengungen im mentalen Bereich keine Wirkung zeigen.