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Archiv-Artikel

Geistig Behinderte in der Demenzpflege

PFLEGE Wo das ausgebildete Pflegepersonal keine Zeit für die kleinen Zeichen der Zuwendung hat, können geistig Behinderte als preiswerte Arbeitskräfte wichtige Aufgaben übernehmen

Sie können zuhören, mit den Demenzkranken spazieren gehen und Mensch-ärgere-dich-nicht spielen

Viele Menschen mit geistiger Behinderung suchen eine Beschäftigung jenseits spezieller Werkstätten. Die Lebenshilfe ermöglicht ihnen nun den Einsatz als Alltagshelfer in der Altenpflege: In Bremerhaven kümmern sich geistig Behinderte sogar um Demenzkranke.

Siegfried Bednors verteilt Teller, Besteck und Plastikbecher auf den Tischen. Gleich bekommen die demenzkranken Bewohner des Traktes „Erde“ im Bremerhavener Haus im Park ihr Mittagessen. Viele von ihnen sind auf ihren Stühlen eingenickt. „Was seid ihr heute alle müde“, stellt Bednors fest. Der 56-Jährige ist geistig behindert und arbeitet als sogenannter Alltagsbegleiter in der Altenpflege. Möglich gemacht hat das eine Kooperation des Vereins Lebenshilfe mit dem Haus im Park.

40 Jahre lang hat Bednors in der Tischler-Werkstatt der Lebenshilfe in Bremerhaven gearbeitet. Immer wieder zog es ihn für Praktika auf den freien Arbeitsmarkt. Vor über zwei Jahren absolvierte er ein Praktikum im Haus im Park, einer Einrichtung für Demenzkranke. „Das gefiel mir und ich bin hier geblieben“, erzählt Bednors. Als Alltagshelfer übernimmt er nicht die klassischen Aufgaben der Pflege. „Das ist weiterhin dem ausgebildeten Fachpersonal vorbehalten“, sagt Heimleiterin Christine Doherr.

Bednors deckt die Tische, schneidet denjenigen das Essen klein, die es nicht mehr selbst können, hält ihnen die Gabel hin. Vor allem ist Bednors aber für die Menschen da. Eine Bewohnerin erzähle ihm viel von früher. „Sie wird wütend, wenn ich ihr nicht zuhöre“, sagt er. Mit anderen geht er spazieren oder spielt mit ihnen „Mensch-ärgere-dich-nicht“. Die Geduld, die die geistig behinderten Kollegen mitbrächten, habe das übrige Personal im hektischen Alltag oft nicht, sagt Anja Schulze, Sprecherin der Lebenshilfe in Bremerhaven.

Seit einigen Jahren vermitteln die Ortsvereine bundesweit Menschen mit geistiger Behinderung Jobs in der Seniorenpflege. Anja Schulze: „Die Erkenntnis muss sich erst durchsetzen, dass Menschen, die selber Hilfe benötigen, in der Lage sind, ihrerseits Hilfe zu geben“, sagt sie.Janet Binder, dpa