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Archiv-Artikel

Privatkapital für die ärmsten Länder

DER ERFOLG Als erster Nichtrohstoffstaat Afrikas geht Ruanda an die internationalen Kapitalmärkte

BERLIN taz | Die Nachfrage übertraf die kühnsten Erwartungen: Für 3,5 Milliarden US-Dollar, über die Hälfte des ruandischen Bruttosozialprodukts, hätten Anleger gerne ruandische Staatsanleihen erworben, als diese jetzt erstmals auf den internationalen Kapitalmärkten angeboten wurden. Ruanda wollte aber nur 400 Millionen. Aufgrund des großen Interesses konnte es die Zehnjahrespapiere zu einem Zinssatz von 6,625 Prozent loswerden, weniger als so mancher EU-Staat.

Mit Ruandas Anleihenplatzierung Ende April betritt Afrika entwicklungspolitisches Neuland. Den Gang an die Kapitalmärkte wagten bisher aus Afrika nur Ölproduzenten, große Bergbauländer oder aufstrebende große Schwellenländer. Ruanda weist zwar beständig hohe Wachstumsraten auf, und sein Präsident Paul Kagame will das Land als Drehscheibe des regionalen Handels zum Singapur Afrikas machen. Aber es erholt sich immer noch von den Folgen des Völkermords an knapp einer Million Menschen im Jahr 1994, wird von den Krisen im benachbarten Kongo beeinflusst und finanziert 39 Prozent seines Staatshaushalts aus der Entwicklungshilfe. Wenn jetzt auch ein solches Land bei den Kapitalmärkten offene Türen einrennt, gerät die traditionelle Entwicklungspolitik – mit ihrem Prinzip, durch Konditionierung von Hilfszahlungen die Politik des Empfängers steuern zu können – in die Defensive.

Für Ruanda bedeutet das einen erheblichen Zugewinn an Souveränität. Letztes Jahr setzten Geber rund 250 Millionen Dollar Hilfsgelder zeitweise wegen des Vorwurfs der Unterstützung kongolesischer Rebellen aus. Nun signalisiert Ruanda den Geberregierungen: Wir brauchen euch eigentlich gar nicht.

Öffentlich wird das natürlich anders dargestellt. Der Erfolg der Anleihe sei „ein Signal, das internationale Investoren auch jenseits der üblichen Rohstoffwachstumsgeschichten Vertrauen in Afrika haben“, sagte Ruandas Finanzminister Claver Gatete. „Ruanda will in Infrastruktur investieren.“ Die 400 Millionen sollen in die Fertigstellung eines Konferenzzentrums in der Hauptstadt Kigali fließen, in den Ausbau der nationalen Fluglinie RwandAir und in den Bau des Wasserkraftwerks Nyaborongo.

Aus Sicht von Analysten ist Ruanda ein weiteres Beispiel dafür, dass sich die globale Wahrnehmung Afrikas grundlegend zum Positiven verändert. Der ruandische Erfolg werde nun auch weitere Länder ermutigen. Die Zinsen der reichen Industrienationen verharren im Tief, auf der Suche nach Rendite schrecken Anleger auch nicht mehr vor exotischen Anbietern zurück. Und immerhin fließt damit ein kleiner Teil des auf den Weltmärkten vagabundierenden Kapitals endlich in die Länder, die es am dringendsten benötigen. DOMINIC JOHNSON