: Die fetten Klunker der Powerfrauen
LUXURY FOR FASHION In der Kunstbibliothek werden erstmals 280 Stücke aus der Fior-Collection gezeigt. Wer sich den Bühnenschmuck aus den Jahren zwischen 1950 und 1990 anschaut, kann Soziologie betreiben
VON BRIGITTE WERNEBURG
Bekanntlich sind Diamanten a girl’s best friends. Trotzdem tut es manchmal auch Swarovski – und oft genug viel besser. Zum Beispiel, wenn es besonders viel Funkeln braucht oder wenn das Gefunkel in einer Form auftritt, die eher modisch als für die Ewigkeit gedacht ist. Die Mädchen übrigens, von denen die Weisheit von den Diamanten stammt, trugen immer nur unechtes Zeug: Costume Jewellery oder Bühnenschmuck, der sich – anders als Fashion Jewellery, also Modeschmuck – um größtmögliche Nähe zum echten Juwelenschmuck bemühte.
Ein kleine, immerhin aber über 280 Stücke umfassende Ausstellung zum Thema Costume Jewellery, „Luxury for Fashion“ betitelt, ist derzeit in der Kunstbibliothek zu sehen. Sie nahm ihren Ursprung im Jahr 2007, als Adelheid Rasche, die Leiterin der Lipperheideschen Kostümbibliothek, dort 20 originale Couture-Modelle von Christian Dior ausstellte. Bei ihren Vorbereitungen lernte sie Lawrence Feldman kennen, der ihr 24 Dior-Modeschmuck-Garnituren ausleihen konnte: Feldman besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen von Costume Jewellery. Damals reifte bei Rasche der Plan, den Schatz dieser nie zuvor öffentlich gezeigten Privatsammlung, wenigstens in Ausschnitten, in einer Ausstellung zu heben.
Und nun funkelt er in einer Vielzahl von Vitrinen, in vier Dekaden von 1950 bis 1990 und einen extra Raum für Dior aufgeteilt. Bei der Eröffnung war auch Lawrence Feldman zugegen. 2001 hatte er das Geschäft für Luxusaccessoires und -lederwaren aufgegeben, das sein Vater Sonny Feldman 1932 in London gegründet hatte. Zu den Käufern und Käuferinnen des hochwertigen Modeschmucks, den er in seiner „Fior“-Boutique anbot, gehörten neben Elizabeth Taylor, Ava Gardner oder Grace Kelly auch Mitglieder der europäischen Königshäuser. Als Lawrence Feldman das Geschäft von seinem Vater übernahm, legte er aus jeder Kollektion seines Schmucksortiments repräsentative Stücke beiseite und baute so seine „Fior-Collection“ auf.
Kennzeichen von Costume Jewellery ist die aufwändige Verarbeitung, bei der viele Produktionsschritte in Handarbeit ausgeführt werden, durchaus vergleichbar mit der Herstellung von echtem Schmuck. Anstelle von Diamanten, Smaragden, Saphiren und anderen Edelsteinen kommen facettierte Glassteine zum Einsatz. Edelmetalle werden nicht massiv, sondern als hochkarätige Auflage verarbeitet. Dazu kommen Kunstperlen in allen Farbnuancen und Größen.
Wenig verwunderlich, begünstigt das preiswertere Material gestalterische Experimente und dieser größere Spielraum im Design führt zu Entwürfen, die dann wieder als Inspirationsquelle auf den Juwelenschmuck zurückwirken. Gleichzeitig erlaubt die kostengünstigere Produktion ein größeres Eingehen auf die jeweiligen Modetrends der Zeit. Nur dadurch hat die Unterteilung der Schau in die Dekaden zwischen 1950 und 1990 Sinn.
Am freiesten erscheinen in der Ausstellung die Entwürfe der 70er Jahre. Auf der einen Seite sieht man in ihnen die modernistische Reduktion, wie sie das Bauhaus vorgegeben hatte, auf geradezu ideale Weise realisiert. Auf der anderen Seite sind Ethno-Motive beliebt, lange Ketten, an denen miniaturisierte afrikanische Masken baumeln, chinesische Drachen oder Aztekengötter. Auch die Damen der Gesellschaft spielen nun ein bisschen Hippiemädchen, man muss sich nur an Grace Kellys Kaftane erinnern, ob von Dior, Yves Saint Laurent oder Madame Grès. Die 80er Jahre sind die Dress-for-Success-Jahre, die Power-Frauen tragen breite Schultern und fette Klunker. Dallas lässt grüßen. Ein wenig ist der 80er Jahre Schmuck eine vergröberte Version der 50er und 60er Jahre, als ebenfalls Kostbarkeit signalisiert werden sollte. Damals allerdings tat er das in klassisch zurückhaltender bis rokokohaft verspielter Form, feingliedrig und detailverliebt.
Mit am interessantesten, weil am zeittypischsten wie am exzentrischsten, sind die Broschen. Gerade war mit der ehemaligen US-amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright eine ausgesprochene Broschen-Liebhaberin in Berlin zu Besuch. Über ihre Anstecknadeln hat sie sogar ein Buch geschrieben, in dem die sprechende Funktion dieses Schmuckstücks sehr schön deutlich wird. Etwa als sie in der irakischen Presse als Schlange bezeichnet wurde und daraufhin bei einem Treffen mit Saddam Hussein mit einer Schlange am Revers auftrat. Oder als sie mit ihrer Schmucknadel mit den drei Affen, die nichts hören, sehen und sagen, für Verstimmung im russisch-amerikanischen Verhältnis sorgte. Soll keiner sagen, das Thema Modeschmuck sei nicht relevant.
■ Bis 6. Oktober, Kunstbibliothek, Matthäikirchplatz 6, Di.–Fr. 10–18, Sa., So. 11–18 Uhr. Im Begleitprogramm wird man über die Rolle aufgeklärt, die die Firma Swarovski, aber auch Hollywood für den Modeschmuck spielt: 27. Juni bzw. 11. Juli, jeweils 18 Uhr