Linksfraktion stiftet ein Büro für die APO

Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft: Mit der „Kontaktstelle gesellschaftliche und soziale Bewegungen“ buhlen die Linken im Bundestag um die Gunst alter Weggefährten. Kritiker wollen keine „Gewissensberuhigungsstelle“

MAGDEBURG taz ■ Die Innovation hat einen sperrigen Namen. Selbst die zuständige Fachfrau der Linksfraktion, Inge Höger-Neuling, schaut sicherheitshalber noch mal in ihrem Thesenpapier nach, bevor sie von dem „historisch völlig neuen“ Projekt ihrer Fraktion schwärmt: „Kontaktstelle gesellschaftliche und soziale Bewegungen“.

Das Büro soll in Zukunft eine Arbeit professionalisieren, der sich bisher jeder Abgeordnete nach eigenem Gusto widmete: der Pflege seiner Kontakte zu den Aktiven draußen – zu Gewerkschaftern, Globalisierungskritikern, Sozialverbänden, Friedensgruppen, Umweltinitiativen und Hartz-IV-Gegnern.

Dass sich just die kleine Linksfraktion ein eigenes Büro mit zwei Vollzeitkräften für diese Aufgabe leistet, ist kein Zufall. Viele ihrer Bundestagsneulinge haben Jahre in außerparlamentarischen Gruppen hinter sich, aber – wenn überhaupt – erst eine kurze Parteikarriere. Das gilt auch für Höger-Neuling, Ver.di-Aktivistin aus Nordrhein-Westfalen, die es als Neu-WASGlerin überraschend zur Vizefraktionschefin im Bundestag brachte. Sie weiß, wie skeptisch viele Weggefährten das Projekt Linksfraktion betrachten: „Wir müssen denen beweisen: Die Verbindung nach draußen ist uns weiter wichtig, wir verlieren nicht die Bodenhaftung, wir beschäftigen uns nicht nur mit Papierkram und dem Apparat.“

Was im Fall einer Regierungsbeteiligung auf dem Spiel steht, die Grünen haben es vorgemacht: „Viele an der Basis fürchten, dass wir uns im Parlamentsbetrieb genauso verändern wie die“, berichtet Heike Hänsel, langjährige Attac-Aktivistin aus Tübingen, seit Herbst für die Linkspartei im Bundestag. „Wir müssen zeigen, dass die außerparlamentarische Arbeit eines unserer Standbeine bleibt.“

Aus Sorge um die Gunst der Basis entstand deshalb bei einigen linken Wahlkämpfern noch vor dem Einzug in den Bundestag der Wunsch, für außerparlamentarische Gruppen eine Anlaufstelle im Parlament einzurichten. Arbeitstitel: „APO-Büro“.

Die Innovation ist umstritten. Das zeigte sich zuletzt bei der Klausur der Linksfraktion in Magdeburg, wo die Zusammenarbeit mit der außerparlamentarischen Bewegung und die Rolle der Kontaktstelle zur Diskussion standen. Die einen fürchten, das Büro könne eine „Gewissensberuhigungsstelle“ werden für jene, denen die Zusammenarbeit mit den Weggefährten nach dem Einzug in den Bundestag lästig erscheint. Andere sorgen sich, die Bewegten draußen könnten das Projekt missverstehen – als Versuch, sie vor den Karren von WASG und Linkspartei zu spannen.

Ohne den Rückhalt der parteilosen Basis könne die Parlamentslinke „nicht viel ausrichten“, hält APO-Beauftragte Höger-Neuling dagegen. Fänden indes parallel zur Parlamentsarbeit draußen Demos statt, habe die Fraktion größere Chancen, etwas zu bewegen.

Einige Linksstrategen träumen im Jahr der Fußball-WM bereits von ganz neuen Unterstützerpotenzialen. Im Gespräch sind Aktionen des „APO-Büros“ mit Fußballfanclubs – zum Beispiel gegen die Sicherheitspolitik der schwarz-roten Bundesregierung. ASTRID GEISLER