: Bekannter der 11.-September-Attentäter frei
Verfassungsgericht Karlsruhe: Es gab keinen ausreichenden Grund, den Marokkaner Motassadeq in U-Haft zu stecken
FREIBURG taz ■ Es gehört zu den „bedeutsamsten Verfahrensgarantien“, dass ein ausgesetzter Haftbefehl nur bei Vorliegen neuer Umstände wieder in Kraft gesetzt wird. Mit dieser Begründung ordnete das Bundesverfassungsgericht die sofortige Freilassung des als Terrorhelfer verurteilten Marokkaners Mounir al-Motassadeq an. Er konnte die Untersuchungshaft in Hamburg noch am Dienstagabend verlassen und wartet nun auf den Ausgang seines Strafverfahrens.
Motassadeq gehörte zum Freundeskreis der Attentäter des 11. September 2001. Die Bundesanwaltschaft warf ihm Mittäterschaft an den Anschlägen vor, weil er für die Gruppe um Mohammed Atta Freundschaftsdienste ausgeführt hatte. Zuletzt verurteilte ihn das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg deshalb zu sieben Jahren Haft. Das Ur- teil ist noch nicht rechtskräftig, weil Motassadeq und auch die Ankläger Revision eingelegt haben. Formal saß Motassadeq also noch in Untersuchungshaft.
Dass er nun vorübergehend freigelassen werden muss, hängt mit der wechselvollen Prozessgeschichte zusammen. Zunächst war der Marokkaner im Februar 2003 zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, ein Jahr später hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf, weil Verfahrensbehinderungen seitens der USA zu wenig berücksichtigt worden seien. Daraufhin entließ das OLG Hamburg Motassadeq aus der U-Haft. Der Haftbefehl wurde dabei nicht aufgehoben, sondern nur gegen Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt. Die Freiheit währte jedoch nur bis zum August 2005. Nach der erneuten Verurteilung wurde Motassadeq vom OLG wieder in U-Haft gesteckt, wegen Fluchtgefahr.
Für das Oberlandesgericht schuf die Verurteilung zu sieben Jahren Haft eine neue Situation, denn bei Aussetzung des Haftbefehls habe Motassadeq höchstens mit vier bis fünf Jahren Haft rechnen müssen. Dieses Argument ließen die Verfassungsrichter aber nicht gelten. Bei Aussetzung des Haftbefehls habe das OLG nur von einer „ganz erheblichen mehrjährigen Freiheitsstrafe gesprochen“, weshalb eine siebenjährige Freiheitsstrafe „kein neu hervorgetretener Umstand“ sein könne. Außerdem sei Motassadeq, als er in Freiheit war, bisher stets zu den Prozessterminen erschienen und nicht geflüchtet. Durch die erneute Anordnung von U-Haft sei deshalb sein Freiheitsrecht verletzt, so Karlsruhe. Ob die siebenjährige Haftstrafe bleibt, wird der Bundesgerichtshof vermutlich Ende des Jahres entscheiden. CHRISTIAN RATH