: Über viele Brücken müsst ihr gehn
Werden die Yorckbrücken abgerissen? Während die Deutsche Bahn die meisten der 30 Eisenbahnbrücken loswerden will, kämpfen Denkmalschützer und die Arbeitsgemeinschaft Gleisdreieck darum, sie für Radfahrer und Fußgänger zu erhalten
von UWE RADA
Für die einen sind sie die der Himmel überm alten Westberlin, für andere der Inbegriff urbaner Hölle, für Dritte wiederum schlicht ein Denkmal der Berliner Industrie-, will heißen Eisenbahngeschichte. Für alle aber gilt: Die Yorckbrücken zwischen Kreuzberg und Schöneberg kennt jeder in Berlin und um Berlin und auch um Berlin herum. Selbst ins freie Lexikon Wikipedia haben sie inzwischen Einzug gehalten.
Für die Bahn spielen Dinge wie diese freilich eine untergeordnete Rolle. Von den dreißig Eisenbahnbrücken, die die Yorckstraße zwischen Möckern- und Bülowstraße überspannen, braucht die Mehdorn-Truppe für den laufenden Betrieb nur etwa zehn. Den Rest würde das Unternehmen am liebsten abreißen. Der Grund: die hohen Kosten für Instandhaltung und Verkehrssicherung.
Da kommt schnell etwas zusammen, wie Bahnmitarbeiter Jürgen Eckertz der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung schon vor Jahresfrist mitgeteilt hatte. Von den 5.665 Einzelbrücken in 1.036 Brückenbauwerken, die die Bahn in Berlin unterhält, seien, so Eckert, rund 10 Prozent nicht mehr betriebswichtig. 20 Prozent stehen dagegen unter Denkmalschutz, darunter auch die Yorckbrücken.
Und die sollen nicht nur nach dem Willen des Landesdenkmalrats erhalten werden. Auch Berlins oberster Denkmalschützer Hartmut Kühne, der vor kurzem noch die Fernmeldekabelfabrik von Ernst Ziesel in Oberschöneweide dem Abriss anheim gegeben hat, signalisiert in Sachen Yorckbrücken Standfestigkeit. Dabei weiß er sich unterstützt vom kulturpolitischen Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus, Uwe Lehmann-Brauns, sowie dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg, in dessen Zuständigkeit die Brücken fallen. Wenn es um Eisenbahnen und Eisenbahngeschichte geht, lässt sich so manches Männerherz erweichen. Sehr zum Leidwesen der Bahn AG, für die es weniger um Romantik als vielmehr um knallharte Bilanzen geht.
Doch muss das ein Widerspruch sein? Nein, findet Norbert Rheinländer von der Arbeitsgemeinschaft Gleisdreieck. Der unermüdliche Lobbyist für einen Park auf dem Gleisdreieck und dem so genannten Flaschenhals südlich der Yorckstraße hat ausgerechnet, dass der Erhalt der Brücken sogar günstiger sein kann als deren Abriss. Der Grund: „Es ist ein Unterschied, ob man Brücken für den Bahnbetrieb instand hält oder nur für Fußgänger und Radfahrer.“ Auf „unter 100.000 Euro“ schätzt Rheinländer deshalb die Sanierungskosten. Er beruft sich auf ein Gutachten, das das Landesdenkmalamt in Auftrag gegeben hatte. Eine Summe, die das Land Berlin durchaus aufbringen könne, findet er.
Dem scheint auch das Land nicht abgeneigt. Zwar beschränkt sich der Wettbewerb, den die Stadtentwicklungsverwaltung derzeit für den Park am Gleisdreieck durchführt, offiziell nur auf den Bereich nördlich der Yorckbrücken. „Inoffiziell aber“, verbreitet Rheinländer Optimismus, „hat man uns bedeutet, dass auch der Parkteil südlich davon gewünscht ist.“ Eine billigere Verbindung als die Yorckbrücken kann es laut Rheinländer gar nicht geben.
Inzwischen hat die oberste Denkmalschutzbehörde mit der Bahn ein Moratorium vereinbart. Soll heißen: Bis zum Ende des Wettbewerbs Gleisdreieck-Park im Sommer des Jahres sollen die Brücken auf jeden Fall stehen bleiben. Bis dahin will Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) auch die genaue Summe für deren Erhalt ermittelt haben.
Norbert Rheinländers Pläne gehen inzwischen noch weiter. Er wünscht sich unter den Yorckbrücken eine Ausstellung zur Eisenbahngeschichte Berlins, am besten unter Regie des Technikmuseums. Ganz aus der Luft gegriffen ist das nicht. Schon heute lässt das Museum seine Museumsbahn ab und an über die zwischen 1873 und 1940 erbauten Brücken ruckeln. Damit der Ausstellungsbesuch kein Gang in die urbane Hölle wird, hat sich der Aktivist schon etwas ausgedacht. „Warum“, fragt er, „sollen wir die Yorckbrücken nicht wie manch anderes Denkmal auch anstrahlen?“
Ach ja, auch ein Lexikon kann übrigens irren. Wikipedia nämlich, das die Berliner Denkmäler so frohlockend preist, hat sich statt in die Gegenwart in eine unschöne Zukunft verirrt. Im Eintrag „Yorckbrücken“ heißt es nämlich: „Bei den heutigen Yorckbrücken handelt es sich um etwa zehn Brücken, die die Yorckstraße überqueren. Zu Zeiten des Verkehrs- und Güterbahnhofs Anhalter Bahnhof waren es einst um die 30 Brücken.“