: Rumsfeld auf Großterroristen-Safari in Afrika
Rundreise des US-Verteidigungsministers durch Maghreb-Staaten soll Terrorbekämpfung in Sahara-Region ausweiten
MADRID taz ■ Die USA nehmen in ihrem „Krieg gegen den Terror“ immer direkter die Sahara-Region ins Visier. „Al-Qaida und Gruppen aus ihrem Umfeld versuchen, die Region, in der Gesetz nur schwer durchsetzbar ist, unter ihre Kontrolle zu bekommen“, erklärte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am Wochenende anlässlich einer Nordafrika-Reise. „Wir teilen mit unseren arabischen Partnern die Sorge über die Fähigkeit dieser Extremistengruppen, in der Sahara-Region zu operieren.“
Rumsfeld hatte Tunesien, Algerien und Marokko besucht, nachdem er von einem Treffen der Nato in Sizilien gekommen war. Der Pentagonchef befürchtet, dass die afrikanische Wüste als Al-Qaida-Ausbildungsregion Afghanistan ersetzen könnte, wo Nato-Truppen bereits aktiv sind.
Anzeichen dafür gibt es genug. Radikale Islamisten aus Algerien operieren an der Südgrenze des Landes mit Mali, Niger und Mauretanien. Die Entführung deutscher, Schweizer und österreichischer Sahara-Reisenden 2003 sowie ein Angriff auf die mauretanische Armee 2005 sollen auf das Konto der algerischen „Salafistischen Gruppen für Kampf und Predigt“ (GSPC) gegangen sein. Auch die 43 Islamisten, die bei einer Auseinandersetzung mit der Armee des Tschad 2004 ihr Leben verloren, sollen dieser Gruppe angehört haben. In Marokko wurden 2005 elf mutmaßliche radikale Islamisten festgenommen, die angeblich aus dem malisch-algerischen Grenzgebiet kamen.
Die GSPC ist eine Abspaltung der durch ihre blutigen Massaker während des algerischen Bürgerkrieges der 90er-Jahre zu trauriger Berühmtheit gelangten „Bewaffneten Islamisten Gruppen“ (GIA). Die nach Angaben der algerischen Geheimdienste mehrere hundert Mitglieder starke Gruppe soll in engem Kontakt mit al-Qaida stehen. Die algerischen Behörden glauben, dass längst hohe Al-Qaida-Vertreter von Afghanistan in die Sahara eingesickert sind. In Auseinandersetzungen der algerischen Armee mit der GSPC sind nach Regierungsangaben Kämpfer aus anderen arabischen Ländern gefallen. Die algerische Armee hat außerdem mehrmals Waffenkonvois in der Wüste aufgebracht. Die algerischen Islamisten kaufen das Material vermutlich in Mali, wo Anfang der 90er-Jahre bewaffnete Gruppen der Tuareg-Nomaden im Konflikt mit der Regierung standen und noch immer viele Waffen zirkulieren. Mali war das Rückzugsgebiet der Touristenentführer von 2003 gewesen.
„Wir unterhalten mit den drei Ländern auf verschiedenen Ebenen militärische Beziehungen, die wir stärken und ausbauen wollen“, erklärte der US-Verteidigungsminister zu seinen Gesprächen in Tunesien, Algerien und Marokko und sagte seinen Gesprächspartnern weitere Militärhilfe zu. Über den Umfang künftiger Waffenlieferungen und Ausbildungsprogramme wurde nichts bekannt. US-Ausbilder sind allerdings längst um die Sahara aktiv. Neben der tunesischen Armee unterweisen sie auch Offiziere in Tschad, Niger, Mali und Mauretanien. Die Aktivitäten der US-Armee in der Region wird vom Headquarter des Europa-Kommandos in Stuttgart koordiniert.
In Marokko will das Pentagon auf ganz besondere Art dem Terror den Krieg ansagen. Die britische Sunday Times berichtet unter Berufung auf „westliche Geheimdienstquellen“, dass die USA Marokko dabei hilft, ein neues Zentrum aufzubauen, in dem Al-Qaida-Verdächtige verhört werden sollen. Das Inhaftierungszentrum soll in Ain Aouda entstehen, ein Waldgebiet südlich des Diplomatenviertels der marokkanischen Hauptstadt Rabat. Eine Untersuchung des Europarates deckte erst kürzlich mehrere Geheimflüge zwischen Washington, dem Gefangenenlager Guantánamo und dem Militärflughafen in Rabat auf. Marokko ist für die US-Politik, Verdächtige im Ausland unter Einsatz der in den USA verbotenen Mittel verhören zu lassen, ideal. Das zeigen die Berichte von Menschenrechtsorganisationen: Allein nach den Anschlägen von Casablanca im Mai 2003 wurden über 1.000 Islamisten festgenommen und meist misshandelt. REINER WANDLER