K.-P. KLINGELSCHMITT ÜBER ÄLTER WERDENDIE GENERATION 50 PLUS LEIDET BEI ÄRZTLICHEN (DIENST-)LEISTUNGEN JETZT SCHON – DOCH ES KOMMT NOCH SCHLIMMER : Wassergymnastik, Vitamincocktails und Totes Meer
Wenn man am Morgen aufwacht und einem nichts wehtut, ist man tot. Eine der tröstlichen Weisheiten meiner Mutter (78), liebe Altersgenossinnen und -genossen der Generation 50 plus links. Schließlich haben ja einige von uns schon einschlägige Erfahrungen mit diversen von den Ärzten als chronisch diagnostizierten schmerzhaften Krankheiten machen müssen – gar nicht zu reden von temporären Malaisen, die sich mit dem Älterwerden unvermeidbar mehren. Natürlich bekämpfen wir unsere Krankheiten zu Recht mit allen Mitteln tapfer. Manchmal nur mit homöopathischen:
Homöopathie ist, wenn der Bauer auf seinem Feld einen Furz lässt und sagt: „So, jetzt ist gedüngt!“ (Monika Gruber). Oft genug aber auch mit konservativen: „Bös’ muss Bös’ vertreiben!“ In ein paar Jahren, haben Gesundheitsexperten errechnet, also mit 60 plus (links), werden wir schon gut ein Drittel unseres Einkommens für Gesundheitsprodukte und Dienstleistungen im Gesundheitswesen ausgeben. Die Altersgenossinnen und -genossen meiner Mutter von der Generation 70 plus tragen ja bereits heute schon gewichtige Anteile ihre Renten zu ihren Physiotherapeuten und in die Thermalbäder, wo sie von jungen Dingern kollektiv zu wassergymnastischen Übungen animiert und danach mit der Verabreichung von sündhaft teuren Vitamincocktails und Präparaten aus der Kosmetikserie Totes Meer abgezockt werden. Was dann übrig ist, streichen die in Deutschland unter Artenschutz stehenden Apotheker ein, deren Zulassungen eigentlich Lizenzen zum Gelddrucken sind.
Wir noch jüngeren Einkommensteuerzahler, die wir von unseren Arbeitgebern mit Bezügen unterhalb der Bemessungsgrenze für den Wechsel in eine kostengünstigere private Krankenversicherung abgespeist werden, werfen ja immerhin noch ein bisschen volkswirtschaftlichen Nutzen ab. Doch auch wir dürfen trotz der permanent (an)steigenden Krankenkassenbeiträge längst nicht mehr alle angebotenen ärztlichen (Dienst-)Leistungen kostenfrei in Anspruch nehmen. Und statt der für uns wichtigen und richtigen Medikamente werden uns von den Ärzten immer öfter billigere Generika verschrieben. Wer keine Zusatzversicherung über besondere zahnärztliche Leistungen abgeschlossen hat, muss später im Alter sein Sparschwein schlachten, zum Suppenkasper werden oder sein dentales Heil in Polen oder der Ukraine suchen. Aktuell sind dort billige Stahlgebisse der Renner. Damit kann man dem amtierenden Kopfpauschalisten von der antikommunistischen Besserverdienerpartei FDP dann immerhin problemlos den rechten Daumen abbeißen, an dem der Bub so gern lutscht und mit dem er am Monatsende sein Ministergehalt zählt.
Schier zerreißen vor Lachen könnte man sich noch über führende Sozialdemokraten, die den Kassen die Erhebung von Zusatzbeiträgen vorwerfen und sogar den Sinn der von ihnen in der großen Koalition ja selbst mitbeschlossenen Gesundheitsreform infrage stellen. Diese Leute halten uns ganz offenbar für Idioten mit einem Kurzzeitgedächtnis von zwei Sekunden, wie es Zoologen Zierfischen attestieren. Wie ich hörte, soll der schmale Fliegen tragende sozialdemokratische Gesundheitsexperte in einer Talkshow jetzt auch noch falsch’ Zeugnis wider SEINEN Nächsten abgelegt haben: Ich war es nicht, es war Mabuse, er benutzte mein Gehirn!
Dazu fällt mir noch ein Aphorismus unseres Lichtenberg aus dem Revolutionsjahr 1789 ein: Es gibt manche Leute, die nicht eher hören, bis man ihnen die Ohren abschneidet.
Rein: nix. Raus: auch nix. K.-P. KLINGELSCHMITT
Hinweis: ÄLTER WERDEN Fragen zum Zusatzbeitrag? kolumne@taz.de MITTWOCH: Martin Reichert LANDMÄNNER