BETTINA GAUS POLITIK VON OBEN : Käuflich, billig und noch peinlich
Wenn in Deutschland von windigen Politgeschäften die Rede ist, wird gern auf Afrika verwiesen. Aber so einfach ist der Vergleich nun auch wieder nicht
Warum ich mich eigentlich monatelang auf Recherchereise in Afrika herumtreiben müsse, mailte und maulte ein Freund aus Berlin. Käufliche oder zumindest mietbare Ministerpräsidenten könne ich doch zu Hause besichtigen. Ist der Vergleich zulässig? Ich bin nicht sicher. Keine Frage: Es gibt Korruption in Afrika. Aber ich bezweifle, dass Spitzenpolitiker dort bereit sind, sich so günstig anzubieten. Nur 8.000 Euro bekommen selbst in Deutschland höchstens abgehalfterte Schlagerstars. Und ein Präsident in Afrika – oder ein Subpräsident oder ein Subsubpräsident – empfände es, wie ich vermute, auch als peinlich, wenn seine Gehilfen dann in Presse, Funk, Fernsehen und Internet erklärten, er habe von der halb öffentlichen Vermarktung seiner Person gar nichts gewusst. Traditionell ist das Eingeständnis, gänzlich fremdbestimmt zu handeln, doch Vertretern anerkannter Bananenrepubliken vorbehalten.
Die deutschen Ministerpräsidenten haben jedenfalls in ihrer offenbar grenzenlosen Gutmütigkeit nie aufgemuckt oder wenigstens mal nachgefragt, warum sie sich eigentlich mit dem oder jenem unterhalten mussten. So viel Demut wünscht man sich von Vorgesetzten. Allerdings weiß man natürlich nicht, welchen Nutzen diejenigen, die eine CDU-Führungspersönlichkeit gebucht hatten, aus der Begegnung gezogen haben.
Die FDP bietet da offenbar mehr Zuverlässigkeit. Zumindest in Hessen. Da wäscht, wenn entsprechende Berichte zutreffen, nicht eine Hand die andere, da wäscht eine Hand sich selbst. Zumindest in physiognomischer Hinsicht ist das eindrucksvoll. In jeder anderen Hinsicht eigentlich auch. Aufträge ohne Ausschreibung an Firmen zu vergeben, an denen die eigene Partei beteiligt ist – das ist zweifellos innovativ im Hinblick auf demokratische Prozesse in der Marktwirtschaft. Innovativ ist immer gut.
Und warum soll der FDP nicht recht sein, was Politikern in den USA billig ist? Gerade entschied das Ethikkomitee des Repräsentantenhauses, dass Abgeordnete, die Aufträge im Wert von über hundert Millionen Dollar ohne Ausschreibung an Großspender ihrer Wahlkämpfe vergeben haben, keine Regeln verletzt haben. Bloß gut, dass wenigstens in Afrika die internationalen Geldgeber überwachen, dass alles mit rechten Dingen zugeht, und dass sie andernfalls den Geldhahn zudrehen.
Was so verwerflich sei an Korruption, hat mich dieser Tage ein kenianischer Freund gefragt, der sich gewiss nie hat bestechen lassen. Ja, ich traue mir das Urteil zu. Ich kenne ihn seit 25 Jahren. Er arbeitet als Gynäkologe in Tansania. Wo es keine Krankenversicherung gibt, die diesen Namen verdient. Wo die überwältigende Mehrheit der Patientinnen, die er als krebskrank diagnostiziert, sterben. Nicht weil sie zu spät kommen. Sondern weil sie sich eine Behandlung nicht leisten können. Es sei denn, ihre Familie hat vorgesorgt – und sei es durch Bestechung.
Lieber Freund aus Berlin, ich maile zurück: Derzeit fühle ich mich hier ganz gut aufgehoben.
■ Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz und reist zurzeit durch Afrika Foto: Amélie Losier