: Die Tücken des Umsattelns
KARRIEREENDE Viele Fußballprofis fallen nach ihrer aktiven Zeit in ein großes Loch. Vorgesorgt haben die wenigsten. Rund ein Viertel der Profis hat nach dem Auslaufen des letzten Vertrags finanzielle Probleme
VON HOLGER VIETH
Schnelle Autos, schicke Restaurants, Ausflüge in Nobeldiskos und Casinos – viele Fußballprofis pflegen genauso extravagante wie teure Hobbys. An ihr sportliches Karriereende denken jedoch die wenigsten von ihnen. Nach einer Verletzung kann dann alles ganz schnell gehen. Kredite können nicht mehr bezahlt werden, neue Überweisungen auf das Konto bleiben aus und einstige Freunde lassen sich nicht mehr blicken. Doch es kann auch anders laufen.
Markus Münch hat schon früh an einem Plan B für sein Karriereende gefeilt. Statt teure Karossen legte sich der ehemalige Bayern-Profi ein Rennpferd zu. Nach seinem Karriereende machte er sein Hobby dann zum Beruf: Er gründete ein eigenes Racing-Team. In seiner neuen Profession sieht er viele Parallelen zum Fußballgeschäft. „Das ist definitiv ein Hochleistungssport“, sagt der Exfußballer, der früher auch in Italien, Griechenland und der Türkei sein Geld verdient hat und heute als als Trainer und Züchter von Rennpferden in Frankfurt am Main arbeitet. Man müsse die Tiere, die allesamt einen eigenen Charakter besäßen, immer wieder zu extremen Leistungen anspornen. Als Exot sieht er sich durch den Jobwechsel nicht. „In England besitzt fast jeder Spitzenspieler ein Rennpferd“, erzählt Münch, der den Fußball nur noch am Rande mitverfolgt. Mit seinem neuen Job ist er zufrieden.
Eine andere, nicht minder erfolgreiche Karriere schlug Reiner Wirsching ein. Sein Aufstieg gegen Ende der 80er Jahre ging schnell. Eben spielte er noch in der sechsten Liga, schon wechselte er zum 1. FC Nürnberg. In 72 Spielen traf er vierzehn Mal für den Klub. Eine schwere Verletzung beendete seine sportliche Karriere genauso abrupt, wie sie begonnen hatte. Dass er erst spät Profi geworden war, erwies sich nun als Vorteil. Neun Semester lang hatte Wirsching während seines Medizinstudiums schon in Hörsälen und Tutorien verbracht. Während er für die Franken auf Torejagd ging, setzte er sein Studium fort und büffelte erfolgreich für das Erste Staatsexamen. Im Alltag hieß das: Vormittags Bücher wälzen, Nachmittags Zirkeltraining. „Es war anfangs nicht ganz einfach, weil ich relativ spät in die Bundesliga kam und dann eine steile Karriere gemacht habe“, sagt Wirsching rückblickend. Gerade in Kombination mit seinem Studium sei das eine Herausforderung gewesen, erzählt er und ist froh, mit einer eigenen chirurgischen Praxis ein neues, solides Standbein zu haben.
Schon früher in der Geschichte der höchsten deutschen Spielklasse hatte ein bekannter Profi eine Zweitkarriere als Arzt eingeschlagen. Jupp Kappellmann, Abwehrspieler beim FC Bayern und dem Stadtrivalen 1860 in den 70er Jahren, wurde später Orthopäde. Ironie der Geschichte: Auch er musste seine Karriere wegen einer schweren Knieverletzung vorzeitig – Anfang der 80er Jahre – beenden.
Der Frankfurter Publikumsliebling Ioannis Amanatidis wollte sich nach seiner Profizeit nicht nur auf ein Standbein verlassen. Im Jahr 2011 rief er sein eigenes Modelabel „IAM exposure“ ins Leben, für das er T-Shirts entwirft. Nebenher betreibt der Ex-Eintracht-Spieler seit Jahren ein griechisches Restaurant in der Frankfurter Innenstadt. Doch die vier ehemaligen Profis sind Ausnahmen in einer Zunft, die nur selten Pläne abseits des Sportgeschäfts verfolgt. Ulf Baranowsky, Präsident der Spielergewerkschaft VdV, kennt die Situation von zahlreichen ehemaligen Bundesligaspielern. Er weist vehement auf die Gefahren des Systems hin. „Oft denken nur die Spieler an einen Plan B, die schon negative Erfahrungen mit Verletzungen gemacht haben – oder wenn das Karriereende näher rückt“, sagt Baranowsky. Auch wenn einige Spieler als Manager oder Trainer in Vereinen unterkommen, seien gut bezahlte Stellen rar.
Rund ein Viertel der Profis hat bereits nach dem Auslaufen des letzten Vertrags finanzielle Probleme, wie eine wissenschaftliche Studie des VdV belegt. Einige von ihnen sind – teilweise hoch – verschuldet. Ganz ausgesorgt haben die wenigsten, wenn die aktive Zeit in den großen Stadien zu Ende geht. Bei rund 10 Prozent liegt die Quote der Profifußballer in Deutschland, die in ihrem restlichen Leben keine größeren Geldsorgen fürchten müssen. Der Rest muss aber früher oder später über eine Umschulung nachdenken. Je eher, desto besser. Denn die „Komfortzone“, wie sie Baranowsky nennt, schrumpft jeden Tag ein bisschen mehr.