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Archiv-Artikel

Hort-Kultur geht verloren

SCHULE Rasanter Ganztags-Ausbau wirft auch Schatten: Altonaer Schulkinder-Hort schließt zum Ferienende, weil er keine Tarifgehälter mehr zahlen kann

Von KAJ
„Träger müssen Geld zuschießen, wenn sie mit Ganztagsschulen kooperieren“

Sabine Kümmerle, Soal

Mit dem neuen Schuljahr beginnt eine neue Ära: Die Ganztagsschule wird Alltag. An 200 der insgesamt 203 Hamburger Grundschulen werden dann nachmittags Kinder anzutreffen sein. An 125 Schulen greift das Modell der Ganztägigen Betreuung (GBS), bei dem nachmittags Kita-Träger die Regie übernehmen. Die übrigen 75 Schulen bieten einen Ganztagsbetrieb mit Lehrern und Erzieher an (GTS). Doch dieses Modell sei unterfinanziert, kritisieren die Kita-Anbieter.

SPD-Schulsenator Ties Rabe spricht von einem Erfolg. Denn die Nachfrage der Eltern ist groß. Denn zwei von drei der 56.400 Grundschulkinder sind für die Nachmittagsangebote angemeldet. Rabe: „Eine so stürmische Entwicklung war möglich, weil Schulen, Eltern und Schulbehörde diese große Aufgabe gemeinsam und engagiert angepackt haben.“

Die Hort-Träger erwähnt er nicht. Doch deren Schulkinder-Horte gibt es nicht mehr. Die Pädagogen müssen, „stillschweigend eine umfassende Veränderung ihres bisherigen Arbeitsfeldes bewältigen“, sagt Sabine Kümmerle vom Wohlfahrtsverband „Sozial & alternativ“ (Soal). Neue Jobs gebe es schon, aber unter ganz anderen Bedingungen.

„Kooperation“ hieß aber das Zauberwort, als Rabes Vorgängerin Christa Goetsch (Grüne) 2010 die Ganztagsschul-Offensive startete und die Horte ins Boot holen wollte. Ein Pilotprojekt war die Schule Thadenstraße, die mit dem Hort Winklers Platz ein Modell entwickelte, in dem die Pädagogen auch in das Ganztagsprogramm der Schule eingebunden waren. Doch diese Kooperation gibt es nicht mehr. Der Hort, der den Kindern über 24 Jahre lang Rückzugsmöglichkeiten, AGs und Ferienprogramme bot, schließt zum Ende der Ferien. Weil das Geld, das die Behörde bereitstellte, nicht reichte, um weiter Tarifgehälter zu zahlen, wurde die Kooperation zum nicht mehr bezahlbaren „Zuschussgeschäft“, so Kümmerle.

Der Altonaer Hort sei kein Einzelfall. Auch andere Träger müssen Geld zuschießen, wenn sie mit Ganztagsschulen kooperieren. „Am Willen der Schulen mangelt es nicht“, sagt die Soal-Chefin. Aber eine Kooperation „auf Augenhöhe“ sei so nicht möglich. Damit gehe die Kultur der Hortpädagogik verloren, die „jedes Kind individuell wahrgenommen und altersgerechte Freiräume geboten“ habe.  KAJ