REALISTISCHE DATEN FÜR 2006 MACHEN DIE RENTEN NICHT SICHERER : Müntefering gestaltet die Zukunft
Das ist der Sound der großen Koalition: Jetzt werden sogar die Annahmen und Aussagen über die heutige und künftige Rente „realistisch“. Sagt Rentenminister Franz Müntefering und verweist auf die Kalkulatoren seines Ministeriums. Im gestern präsentierten Rentenbericht gehen sie fürs laufende Jahr bloß von bescheidenen 0,7 Prozent höheren Löhnen und seufzend zugestandenen 0,2 Prozent weniger Beschäftigten aus.
Das entspricht tatsächlich den aktuellen Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung 2006. Doch woher nimmt Müntefering bloß die Unterstellung, dass die Durchschnittslöhne in den kommenden drei Jahren um 1,5 Prozent und die Zahl der Beschäftigten um 0,5 Prozent steigen? Nichts von dem, was etwa für das Jahr 2007 mit Mehrwertsteuererhöhung, absehbaren Kürzungen im Gesundheitssystem und so weiter zu vermuten steht, rechtfertigt diesen Optimismus. Der „Realismus“ der Regierung erstreckt sich offenkundig nur auf das Berichtsjahr. Das passt zu einer Politikregel aus der Zeit vor der großen Koalition: Zur Begründung sozialpolitischer Gemeinheiten – aktuell der Rente mit 67 – muss die Lage erst einmal schlechtgeredet, aber unbedingt mit rosigen Aussichten verknüpft werden.
Raffiniert wendet Müntefering dieses Rezept auch bei der Langfristprognose für die Rentenversicherung an. So steht im Alterssicherungsbericht, dass das „Netto-Gesamtversorgungsniveau für Geringverdienende langfristig ansteigen“ werde. Das soll die prekär Beschäftigten erst einmal trösten: Auch eure Rente steigt! Doch auch hier lohnt ein zweiter Blick. Denn der Bericht begründet den Anstieg der Renten für Miniverdiener damit, dass sie kaum Steuern auf ihre Renten zahlen müssten. Ihr „Vorteil“ ist also nur sehr relativ. Außerdem unterstellt der Bericht, dass die Schrumpfung der staatlichen Rente insgesamt durch die Privatvorsorge kompensiert werde. Doch dies gilt individuell nur für solche, die auch gespart haben. Auf die Frage etwa, wie gerade Geringverdiener zur Privatvorsorge animiert werden könnten, hat aber auch Müntefering keine Antwort. ULRIKE WINKELMANN